Wasserstoff
(chemisches Symbol H, von griechisch-lateinisch hydrogenium = Wasserbildner). Gasförmiges Element, Atomgewicht 1,00794±0,00007, Ordnungszahl 1. Natürliche Isotope (in Klammern evtl. benutzte Eigennamen und prozentuale Häufigkeit): 1 (Protium, 99,985), 2 (Deuterium, 0,015), 3 (Tritium, Spuren; radioaktiv, HWZ: 12,3a).
In das Periodensystem lässt sich Wasserstoff nicht eindeutig einordnen: Zum einen stellt ihn seine Elektronegativität zwischen Bor und Kohlenstoff, zum anderen zeigt er Ähnlichkeit mit den Alkalimetallen (H bildet positiv geladene Ionen, Protonen), aber auch mit den Halogenen (er kann z. B. mit Metallen Hydride bilden, siehe unten), weshalb man ihm die Oxid.-Stufen +1 (Proton), 0 (atomarer Wasserstoff, H-Radikal) und –1 (Hydrid-Ion) zuspricht.
In wässrigen Systemen liegen die Protonen nicht in freier, sondern in hydratisierter Form vor, hauptsächlich als H3O+ (Oxonium, vergleiche Wasserstoff-Ionen). Die IUPAC hat die Benennung der verschiedenen Wasserstoff-Isotope und Wasserstoff-Teilchen geregelt[1], wobei die im Folgenden an erster Stelle stehende Bezeichnung für unspezifizierten Wasserstoff (also 1–3H), die an zweiter Stelle stehende für 1H gilt: Hydrogen/Protium (Atom), Hydron/Proton (Kation), Hydrid/Protid (Anion), Hydro/Protio (Gruppe), Hydronierung/Protonierung (Kation-Übertragung), -/Protiierung (Substitution von Wasserstoff durch ein Wasserstoff-Isotop); analoges gilt für Deuterium und Tritium.
Atomarer Wasserstoff wird aufgrund seines quantenmechanischen Verhaltens als sogenanntes Quantengas aufgefasst[2]. Das Spektrum des H-Atoms (Literatur[3], siehe auch Abbildung 7 bei Spektroskopie) lässt sich mit Hilfe der Serienformeln berechnen. Das H-Atom besteht aus dem Proton als Kern und einem Elektron (1 s1) in der Elektronenhülle (siehe Atombau). Normalerweise liegt Wasserstoff jedoch als Molekül, H2 (Mr 2,016), vor; die Spins der beiden Kerne können parallel (Ortho-Wasserstoff) oder antiparallel (Para-Wasserstoff) ausgerichtet sein; Näheres s. bei Ortho-Para-Isomerie und zu 3-atomigem Wasserstoff siehe Literatur[4]. Da Wasserstoff das leichteste aller Elemente ist, hatte man nach John Daltons Vorschlag lange Zeit das relative Atomgewicht des Wasserstoffs als 1 festgelegt. Das geringe Gewicht des Wasserstoffs erklärt auch das hohe Diffusionsvermögen und Effusionsvermögen dieses Gases.
Eigenschaften
Reiner Wasserstoff ist ein farbloses, geruchloses und geschmackloses, ungiftiges, brennfähiges Gas, Gasdichte 0,0899 g/L (bei 0 °C und 101,3 kPa), 0,06952-fache Luftdichte (25 °C, 101,3 kPa), Dichte 0,0708 (flüssig, bei 101,3 kPa und –253 °C), Schmp. −259,20 °C, Sdp. −252,77 °C, kritische Temperatur –239,97 °C, kritischer Druck 1,315 MPa, kritische Dichte 0,03012; Explosionsgrenzen in Luft 4–75 Vol.-%. Die Inversionstemperatur, unterhalb der der Joule-Thomson-Effekt auftritt, liegt bei 193 K. In Wasser ist H2 nur sehr wenig löslich (100 g lösen bei 20 °C nur etwa 2 mL H2), daher kann man das Gas über Wasser auffangen.
Fester Wasserstoff, Dichte 0,0827 g/cm3 (am Schmelzpunkt), kristallisiert hexagonal. Unter extrem hohem Druck (2–3 ⋅ 1011 Pa) soll eine metallische, elektrische leitende Phase existieren, Dichte >1 g/cm3 (siehe unten).
H2 verbrennt mit kaum sichtbarer, schwach bläulicher Flamme zu Wasserdampf (2H2+O2→2H2O); Gemische aus Wasserstoff und Luft (mit 4–75 % H2) oder Wasserstoff und Sauerstoff heißen Knallgas. Der Heizwert des Wasserstoffs beträgt 11 MJ/m3, der Brennwert 13 MJ/m3.
Wasserstoff verbindet sich – nötigenfalls bei Anwendung höherer Temperaturen, Drücke, Katalysatoren – mit den Elementen der 14. bis 17. Gruppe des Periodensystems sowie mit Bor und Gallium zu flüchtigen oder gasförmigen Wasserstoff-Verbindungen, z. B. mit Schwefel zu Schwefelwasserstoff, mit Stickstoff zu Ammoniak, mit Kohlenstoff zu Methan, mit Halogenen zu den Halogenwasserstoffen usw. Die Reaktionen mit O, Cl, Br, I etc. verlaufen als Kettenreaktionen (siehe auch Knallgas und Chlorknallgas). Mit den stark elektropositiven Elementen der 1. und 2. Hauptgruppe, z. B. Na oder Ca bildet Wasserstoff feste, salzartige Hydride. Zahlreiche Übergangsmetalle nehmen Wasserstoff in z. T. beträchtlicher Menge in fester Lösung auf, indem H-Atome Zwischengitterplätze besetzen. Ein cm3 Eisen kann z. B. 19, ein cm3 Gold 46, ein cm3 Platin 50 und ein cm3 Palladium gar 500–900 cm3 Wasserstoffgas aufnehmen. Auch FeTi-, CaNi5-, TiCo-, MgNi- u. a. Legierungen bilden nichtstöchiometrische Metallhydride. Diese können – da die Wasserstoff-Aufnahme reversibel ist – als Wasserstoff-Speicher und damit Energiespeicher genutzt werden[5,6].
Über die Verwendung von Pd in Detektoren für Wasserstoff-Spuren siehe Literatur[7]. Die Löseeigenschaften von Metallen für Wasserstoff sind teilweise auch bestimmend für deren Eignung als Hydrier-Katalysatoren; Beispiel: Raney-Katalysatoren. Da sich durch die Wasserstoff-Aufnahme bei vielen Metallen die Sprödigkeit erhöht, kann die H2-Löslichkeit ggf. höchst unerwünscht sein; Beispiel: Versprödung von Stählen. Umgekehrt kann man durch Sättigen von Titan mit Wasserstoff (~50 Mol-% H), Walzen bei erhöhter Temperatur und anschließende Entfernung von Wasserstoff im Vakuum ein besonders feinkörniges Metall herstellen (längliche Kristallite, 1–3 μm), das sehr gute mechanische Eigenschaften hat.
Auf viele Metalloxide wirkt Wasserstoff beim Erhitzen reduzierend; Beispiel: CuO+H2→Cu+H2O. Die chemische Vereinigung eines Stoffes mit Wasserstoff bezeichnet man in der organischen Chemie als Hydrierung oder ebenso wie in der anorganische Chemie (Ausnahme: Reaktion von H2 mit Metallen) als Reduktion. Die umgekehrte Reaktion, die Abspaltung von H2, wird in der organischen Chemie Dehydrierung genannt. Im Zusammenhang mit intramolekularen oder intermolekularen Wasserstoff-Übertragungsprozessen oder Wasserstoff-Wanderungsprozessen (H-Transfer) in der anorganischen, organischen oder metallorganischen Chemie spricht man von Wasserstoff-Donoren und Wasserstoff-Akzeptoren. Die Spaltung von organischen Verbindungen durch Wasserstoff bezeichnet man als Hydrogenolyse.
Unter dem Einfluss von Katalysatoren bzw. Basen findet ein Austausch zwischen gebundenem und gasförmigem Wasserstoff statt, was man im Fall der H/D-Austauschreaktionen zur Herstellung deuterierter Verbindungen bevorzugt Scrambling nennt, im Fall des H/T-Austauschs zur Herstellung tritiierter Verbindungen nach dem Erstanwender Wilzbach-Technik. Der Ersatz von H durch D oder T hat sogenannte Isotopieeffekte zur Folge. Bei vielen Reaktionen entsteht Wasserstoff zunächst als metallgebundenes Hydrid-Ion, das wesentlich reaktionsfähiger als molekularer Wasserstoff ist – man spricht hier von Wasserstoff in statu nascendi. Die Spaltung des H2-Moleküls durch sogenannte stille Entladung (siehe Gasentladung), durch Glimmentladung (Wood-Bonhoeffer-Methode) oder im Lichtbogen liefert H-Atome (H2+435 kJ⇄2H). Die bei der Rekombination der beiden H-Atome zum H2-Molekül wieder freiwerdende Energie wird z. B. in der Langmuir-Fackel beim Arcatom-Verfahren zum Schweißen hochschmelzender Metalle genutzt.
Vorkommen
Man schätzt den Anteil des Wasserstoffs an der obersten, 16 km dicken Erdkruste einschließlich Wasserhülle und Lufthülle auf etwa 0,74 Gew.-% (hinsichtlich der Häufigkeit steht Wasserstoff an 9. Stelle zwischen Magnesium und Titan). 1989 betrug der Gehalt als Spurengas-Bestandteil der Atmosphäre durchschnittlich 515 ppb mit steigender Tendenz (Wachstum von ca. 2,7–3,7 ppb/a). Die atmosphärische Lebenszeit wird auf 2 a geschätzt. Der jährliche Zuwachs von rund 90 Mio. t[8] wird zu 30 % auf die Methan-Oxidation (H2C=O → H2+CO), zu 25 % auf die Oxidation anderer Kohlenwasserstoffe, zu 20 % auf anthropogene Quellen und zu 15 % auf Verbrennung von Biomasse zurückgeführt. Die Hauptsenken sind der Boden[9] und die Oxidation durch OH-Radikale.
Die Oxidation von H2 in der Stratosphäre (durch aktivierte O-Atome) hat Auswirkungen auf die Ozon-Bildung (siehe Ozon-Schicht), da der katalytische OHx-Abbaucyclus (Ozon-Abbau) verstärkt wird. Bemerkenswert ist, dass das vertikale H2-Konzentrationsprofil praktisch keine Höhenabhängigkeit aufweist[10,11].
Im Spektrum des Nachthimmels bzw. im Polarlicht ist die Wasserstoff-Linie Hα nachzuweisen. Letzteres entsteht durch Stoßprozesse von H-Atomen, H-Ionen und Gasmolekülen der Atmosphäre mit schnellen Teilchen der kosmischen Strahlung. Seit den 80er Jahren ist bekannt, dass die Erde nicht nur in 2000–20000 km Höhe von einer dünnen Wasserstoff-Hülle umgeben ist, sondern dass sich im gesamten Planetensystem innerhalb und außerhalb der Milchstraße (Magellan-Wolken) als häufigstes Element des interstellaren Raumes Wasserstoff befindet, der durch Sonnenstrahlung zum Leuchten (Lyman-Serie, siehe Atombau) angeregt wird. Die Sonne besteht zu ca. 84 Gew.-% aus Wasserstoff, der der Brennstoff für die Erzeugung der Sonnenenergie ist.
Freier, elementarer Wasserstoff kommt in einigen Vulkangasen in 0,1–30 Vol.-% vor; er ist auch in kleinen Mengen in manchen Mineralen und Gesteinen (Granit, Gneis, Basalt, Salzlager) eingeschlossen. Aus Hochdruckexperimenten schließt man, dass Wasserstoff in metallischem Zustand oder in Eisen gelöst im Inneren der Planeten Jupiter und Saturn bzw. im Erdkern enthalten sein könnte[12].
Wasserstoff tritt überwiegend gebunden auf, so v. a. als Wasser, ferner in Säuren, Laugen sowie in fast allen organischen Verbindungen; in den letzteren ist Wasserstoff an Kohlenstoff gebunden (Beispiel: Kohlenwasserstoffe), darüber hinaus auch an O (Beispiel: Alkohole, Carbonsäuren, Hydroperoxide), S (Thiole), N (Amine, Stickstoff-Heterocyclen), P (Phosphine) u. a. Elemente. Mit bestimmten Reagenzien kann man derart aciden und aktiven Wasserstoff analysieren. Eine Bindung ganz besonderer Art liegt in den sogenannten Wasserstoff-Brückenbindungen vor. Beim sogenannten Extra-Wasserstoff oder indizierten Wasserstoff handelt es sich um einen Begriff der chemischen Nomenklatur.
Herstellung
Großtechnisch zu über 90 % durch petrochemische Prozesse; das wichtigste Verfahren ist die katalytische Dampfspaltung (steam reforming) von Erdgas (Methan) oder leichten Erdölfraktionen:
daneben auch die partielle Oxidation von schwerem Heizöl:
Bis zum 2. Weltkrieg wurde die Hauptmenge des Wasserstoffs durch Kohlevergasung erzeugt:
das im entstandenen Wassergas enthaltene CO wird unter Gewinnung von zusätzlichem Wasserstoff konvertiert (Konvertierung):
und das gebildete CO2 durch Waschprozesse abgetrennt; siehe auch Synthesegas.
Die Wasserelektrolyse (insgesamt ca. 4 % der weltweiten H2-Produktion) spielt für die technische Wasserstoff-Gewinnung nur eine Rolle, wenn billige elektrische Energie verfügbar ist, etwa in der Nähe von Staudämmen, z. B. in Assuan/Ägypten, bei höheren Reinheitsansprüchen, z. B. in der Lebensmitteltechnologie, oder für Kleinverbraucher. Die elektrolytische Zerlegung des Wassers (mit Zusatz von Kaliumhydroxid zur Erhöhung der Leitfähigkeit) erfolgt an Elektroden, die durch ein gasundurchlässiges Diaphragma getrennt sind, bei 80–85 °C und einer praktischen Zersetzungsspannung von 1,9–2,3 V:
Technisch ist meist eine Vielzahl bipolar verschalteter Einzelzellen nach dem Filterpressenprinzip in Blöcken zusammengefasst. Der effektive Stromverbrauch von rund 4,5 kWh/m3 H2 kann durch Arbeiten unter erhöhtem Druck um 20 % gesenkt werden (Zdansky-Lonza-Verfahren). Eine Übersicht über moderne Elektrolyseprozesse findet man in Literatur[13].
In beträchtlichen Mengen fällt H2 als Nebenprodukt von petrochemischen Prozessen in Raffinerien und Kokereien an sowie bei manchen chemischen und elektrochemischen Verfahren, z. B. der Chloralkalielektrolyse. Von anderen Verfahren zur Wasserstoff-Erzeugung erscheinen die thermische Spaltung von Wasserstoff (bei >2000 °C) oder die chemische Spaltung (mit Hilfe eines im Kreislauf geführten Hilfsstoffes) zu aufwendig, z. B.:
Zu einer künftigen biochemischen Wasserstoff-Produktion durch Mikroorganismen, z. B. Cyanobakterien, siehe Literatur[14,15].
Im Laboratorium kann Wasserstoff hergestellt werden durch Auflösen von unedlen Metallen (z. B. Zink) in Salzsäure oder 15–20 %iger Schwefelsäure im Kippschen Apparat (wenn reine Metalle nicht leicht angegriffen werden, gibt man etwas Kupfersulfat-Lösung als Katalysator dazu) oder durch Elektrolyse von Wasser im Hofmannschen Zersetzungsapparat. Reinsten Wasserstoff erhält man, wenn man unreinen Wasserstoff durch Palladium-Silber-Membranen oder eine Palladium-Wand diffundieren lässt; es wandert nur der reine Wasserstoff durch Palladium, die Verunreinigungen bleiben zurück. Die Entfernung evtl. vorhandener Sauerstoff-Reste aus Handels-Wasserstoff kann auch am heißen Cu-Draht oder am Meyer-Ronge-Katalysator vorgenommen werden; Näheres auch über andere Laboratoriumsmethoden zur Gewinnung von reinem Wasserstoff siehe Literatur[16].
Wasserstoff kommt in Stahlflaschen (Bomben, Farbe rot, Linksgewinde) oder Flaschenbündeln unter z. B. 20 MPa Druck in den Handel, oder er wird flüssig (kyrogen) bei –253 °C in hochisolierten Drucktankwagen transportiert. Im Rhein-Ruhr-Gebiet wird ein über 200 km langes (Druck-)Rohrleitungsnetz im Verbund mit 14 Wasserstoff erzeugenden und verbrauchenden Werken betrieben. Der größte Teil des produzierten Wasserstoffs wird direkt beim Erzeuger weiterverarbeitet.
Physiologie
Im Stoffwechsel laufen zahlreiche, durch Enzyme (Dehydrogenasen, Hydrogenasen, Oxidoreduktasen) katalysierte Wasserstoff-Transfer-Reaktionen ab, wobei Coenzyme (NAD, FAD) als intermediäre Wasserstoff-Akzeptoren bzw. Wasserstoff-Donoren fungieren. Wasserstoff ist biologisch außerordentlich wichtig; weitaus die meiste Muskelenergie, die von Organismen entwickelt wird, stammt nicht etwa aus der Oxidation des C zu CO2, sondern aus einer stufenweisen Oxidation des an C-Ketten (in Kohlenhydraten, Fetten) gebundenen Wasserstoff, der im menschlichen Organismus einen Anteil von 10 % des Körpergewichts hat: Ein 70 kg schwerer Mensch enthält also ca. 7 kg Wasserstoff, gebunden in organischen Verbindungen und Wasser. Auf der Messung und bildlichen Darstellung der Wasserverteilung im Organismus beruht übrigens die sogenannte Kernspin-Tomographie (NMR-Imaging).
Gasförmiger Wasserstoff entsteht in geringen Mengen im Dickdarm durch Einwirkung bestimmter Bakterien.
Nachweis
Qualitativ durch Verbrennung (Nachweis des H2O als Reaktionsprodukt), Knallgasprobe, Wasserstoff-Spektrum; quantitativ durch Gasanalyse, Elementaranalyse, Gaschromatographie u. a. Methoden. Die Wasserstoff-Bestimmung in Metallen ist durch Aktivierungsanalyse möglich[17]. Na in feindispergierter Form und Methylmagnesiumiodid (Zerewitinoff-Reagenz) sind selektive Reagenzien zur Bestimmung des sogenannten aktiven Wasserstoffs in Amiden, Alkoholen, Phenolen und Sulfonamiden. Im Bereich von 0,5–3 Vol.-% ist die Bestimmung auch mit Prüfröhrchen möglich.
Verwendung
Zur Synthese von Ammoniak, in Raffinerieprozessen zur Herstellung von Benzin und Crackprodukten der Petrochemie, zur Methanol-Synthese, zur Fetthärtung u. a. Hydrierungen, als Reduktionsmittel zur Gewinnung von W, Mo, Co u. a. Metallen, als reduzierendes Schutzgas bei metallurgischen Prozessen, zum autogenen Schweißen und Schneiden, als Brenngas in Mischung mit anderen Gasen (Stadtgas, Wassergas), verflüssigt als Treibstoff in Luftfahrt und Raumfahrt[18], als Rohstoff in thermonuklearen Reaktionen. In Deutschland wurden 1997 3,0 Mrd. m3 Wasserstoff produziert, von denen 1,27 Mrd. m3 für den Absatz bestimmt waren[19].
Wasserstoffwirtschaft ist die Bezeichnung für ein künftiges „umweltfreundliches“ Energieversorgungssystem, das zunehmendes Interesse findet in Anbetracht des steigenden Energieverbrauchs durch Bevölkerungswachstum und Nachholbedarf der Entwicklungsländer bei begrenzten Ressourcen fossiler Energieträger und v. a. wegen der mit deren Verwendung verbundenen CO2-Problematik (siehe Kohlendioxid).
Wasserstoff ist eine Sekundärenergiequelle. Zu seiner Bereitstellung steht neben der Kernenergie die Sonnenenergie, einschließlich der Wasserkräfte und Windkräfte sowie die nachwachsende Biomasse unerschöpflich zur Verfügung; Wasserkraft hat dagegen nur eine geringe Energiedichte. Insbesondere ist die Kopplung von Photovoltaik in Sonnenkraftwerken mit Wasserelektrolyseanlagen zur Erzeugung von Wasserstoff hervorzuheben[20-22]; hierzu wird in Deutschland ein breites Forschungsprogramm bearbeitet, u. a. mit einem 430 kW-Projekt der Bayernwerke AG in der Oberpfalz[23].
Bei seiner Verbrennung liefert Wasserstoff neben geringen NOx-Mengen nur H2O, das keine Umwelt- und Entsorgungsprobleme aufwirft. Als Kraftstoff kann Wasserstoff anstelle von Kohlenwasserstoffen in Verbrennungsmotoren[24], als Brennstoff in Heizungsanlagen, Gasturbinenkraftwerken und Dampferzeugern anstelle fossiler Energieträger verwendet werden. Bereits ein Zusatz von 10–20 Vol.-% Wasserstoff bei der Verbrennung von Erdgas (entsprechendes gilt auch für Benzinmotoren) kann CO-Emissionen und NOx-Emissionen um bis zu 50 % vermindern. Der 1997 vom US-Kongress gebilligte Hydrogen Future Act und verwandte Programme fördern die Verwendung von Wasserstoff als Energieträger im Transportsektor.
In Brennstoffzellen lässt sich elektrische Energie direkt aus Wasserstoff erzeugen. Der Nutzungsgrad ist bei dieser Form der Energieumwandlung 2–3mal so hoch wie im Verbrennungsmotor. Mit NECAR I, II und III stellte Daimler-Benz 1994, 1996 und 1997 drei Fahrzeuge mit Wasserstoff-Brennstoffzellen vor. Seit 1997 fahren in Chicago und Vancouver einige Busse mit Brennstoffzellen, in denen Wasserstoff in Drucktanks mitgeführt wird. Optimistische Schätzungen zufolge könnte bei genügend großer Abnahmemenge der Energiepreis (unbesteuert) der Wasserstoff-Brennstoffzelle nur wenig über dem des Benzinmotors (besteuert) liegen[24].
Trotz vorhandener Erfahrungen in der Raumfahrt und bei einzelnen Verfahrensschritten sowie eines hohen Entwicklungspotentials ist man vom Ziel einer umfassenden Wasserstoff-Technologie noch weit entfernt, insbesondere sind heute die Gewinnung von Solarstrom und die Herstellung und Verwendung von Wasserstoff noch zu teuer. Man sieht zwar Marktnischen, z. B. in einer dezentralen und netzunabhängigen Stromversorgung einzelner Wohngebiete und entlegener Ansiedlungen sowie auch einen größeren Markt in rohstoffarmen Entwicklungsländern, jedoch kann nach Literatur[25] Wasserstoff nicht als das Energiemittel der Zukunft zu betrachten sein, das die herkömmlichen Energieträger verdrängt.
Recht
Zulassung: Allgemein zugelassener Zusatzstoff (Anlage 3 zu § 5 Abs. 1 und § 7 ZZulV 1998).
Reinheitsanforderungen: Nach Richtlinie 96/77/EG vom 02.12.1996, Amtsblatt der EG Nr. L 339 vom 30.12.1996, S. 1 (geändert).
Weitere rechtliche Regelungen: Olivenölmerkmale-Verordnung 2568/91/EWG Anhang IV und V; Weinverordnung Anlage 2.
Geschichte
Henry Cavendish entdeckte 1766 den Wasserstoff bei der Auflösung von Metallen in Säuren; er erkannte 1781 auch, dass aus der Verbrennung von Wasserstoff Wasser hervorgeht. Antoine Laurent de Lavoisier fand schon 1783 heraus, dass aus heißem Eisen und Wasserdampf Eisenoxid und Wasserstoff entstehen. Er benannte das Element „hydrogène“ nach griechisch hydor = Wasser und ...gen; hiervon leitet sich auch der deutsche Name Wasserstoff ab. Ende des 18. Jahrhunderts wurden die ersten mit Wasserstoff gefüllten Ballons konstruiert[26]. Die erste elektrolytische Wasserstoff-Herstellung (durch Elektrolyse von angesäuertem Wasser) erfolgte 1789 durch den Holländer van Troostwijk, die erste Wasserstoff-Sauerstoff-Flamme wurde von R. Hare 1802 benutzt, die erste katalytische Hydrierung 1897 von Paul Sabatier und Senderens ausgeführt. 1932 folgte die Entdeckung des Deuteriums durch Harold Clayton Urey, 1934 die des Tritiums durch Sir Mark Laurence Elwin Oliphant, Paul Harteck und Sir Ernest Rutherford.
Literatur
[1] Pure Appl. Chem. 60, 1115 f. (1988)
Suche in: Google Scholar
[2] Spektrum Wiss. 1982, Nr. 3, 56–65
Suche in: Google Scholar
[3] Series, Spectrum of Atomic Hydrogen, Singapore: World Sci. Publ. 1987
Suche in: Google Scholar
[4] Ber. Bunsenges. Phys. Chem. 94, 1231–1348 (1990)
Suche in: Google Scholar
[5] Angew. Chem. 102, 239–250 (1990)
Suche in: Google Scholar
[6] Int. J. Hydrogen Energy 14, 727–735 (1989)
Suche in: Google Scholar
[7] J. Appl. Phys. 68, R1–R30 (1990)
Suche in: Google Scholar
[8] Scientific Assessment of Ozone Depletion 1991, WMO-Bericht Nr. 25, Washington: World Meteorological Organization 1992
Suche in: Google Scholar
[9] Konrad und Seiler, in Jaenicke (Hrsg.), Atmosphärische Spurenstoffe, Kap. 11, S. 217, Weinheim: VCH Verlagsges. 1987
Suche in: Google Scholar
[10] Fabian, Abschlußbericht des BMFT-Vorhabens, KBF 63, S. 58, Katlenburg-Lindau: BMFT 1988
Suche in: Google Scholar
[11] Fabian, Atmosphäre und Umwelt, S. 133, Berlin: Springer 1987
Suche in: Google Scholar
[12] Science 253, 421–424 (1991)
Suche in: Google Scholar
[13] Chem. Ing. Tech. 61, 349–361 (1989)
Suche in: Google Scholar
- Suche in: Google Scholar
[15] Int. J. Hydrogen Energy 13, 407–410 (1988)
Suche in: Google Scholar
[16] Brauer (3.) 1, 128–133, 444f
Suche in: Google Scholar
[17] Townshend (Hrsg.), Encyclopedia of Analytical Science, S. 2035 ff., London: Academic Press 1995
Suche in: Google Scholar
[18] Int. J. Hydrogen Energy 15, 579–595 (1990)
Suche in: Google Scholar
[19] Statistisches Bundesamt 1999
Suche in: Google Scholar
[20] Phys. Bl. 45, 264–269 (1989)
Suche in: Google Scholar
[21] DECHEMA-Monogr. 98, 299–312 (1985)
Suche in: Google Scholar
[22] Lewerenz und Jungblut, Photovoltaik, Heidelberg: Springer 1995
Suche in: Google Scholar
[23] Brennst. Wärme Kraft 41, 432–438 (1989)
Suche in: Google Scholar
[24] Chem. Ind. (London) 1997, 771–774
Suche in: Google Scholar
[25] Nachr. Chem. Tech. Lab. 39, 503–508, 1256–1266 (1991)
Suche in: Google Scholar
[26] Krätz, Faszination Chemie, S. 59 ff., München: Callwey 1990
Suche in: Google Scholar
Büchner et al., S. 14–21
Suche in: Google Scholar
Encycl. Gaz, S. 889–931
Suche in: Google Scholar
Janev et al., Atomic and Molecular Processes in Hydrogen-Helium Plasma, Berlin: Springer 1987
Suche in: Google Scholar
Kirk-Othmer (4.) 13, 838–894
Suche in: Google Scholar
Kuron et al., Wasserstoff und Korrosion, Bonn: Kuron 1986
Suche in: Google Scholar
Müller, K., Technologien zur Speicherung von Wasserstoff. Teil 1: Wasserstoffspeicherung im engeren Sinne, In Chem. Ing. Tech., (2019) 91(4), 383–392
Suche in: Google Scholar
Müller, K., Technologien zur Speicherung von WasserstoffTeil 2: Irreversible Konversion und Technologievergleich, In Chem. Ing. Tech., (2019) 91(4), 333–402
Suche in: Google Scholar
Paál und Menon (Hrsg.), Hydrogen Effects in Catalysis, New York: Dekker 1988
Suche in: Google Scholar
Pankove und Johnson (Hrsg.), Hydrogen in Semiconductors, Boston: Academic Press 1991
Suche in: Google Scholar
Schlapbach, Hydrogen in Intermetallic Compounds (2 Bd.), Berlin: Springer 1988
Suche in: Google Scholar
Soners, Hydrogen Properties for Fusion Energy, Berkeley: Univ. California Press 1986
Suche in: Google Scholar
Ullmann's Encyclopedia of Industrial Chemistry, 5. Aufl.; VCH Verlagsgesellschaft: Weinheim, (1985–1996), A13, 297–442
Suche in: Google Scholar
Verkin, Properties of Condensed Phases of Hydrogen and Oxygen, New York: Hemisphere 1989
Suche in: Google Scholar
Wendt (Hrsg.), Electrochemical Hydrogen Technologies. Electrochemical Production and Combustion of Hydrogen, Amsterdam: Elsevier 1990
Suche in: Google Scholar
Winnacker-Küchler (4.) 2, 111–145; 5, 259–268
Suche in: Google Scholar
Winter und Nitsch, Wasserstoff als Energieträger, Berlin: Springer 1986
Suche in: Google Scholar
Zuckerman und Hagen, Inorganic Reactions and Methods, Bd. 1, The Formation of Bonds to Hydrogen, Part 1, New York: Wiley (1986)
Suche in: Google Scholar
International Journal of Hydrogen Energy, Oxford: Pergamon (seit 1975)
Suche in: Google Scholar
International Association for Hydrogen Energy, Coral Gables, FL; https://www.iahe.org/ [Prüfdatum 21.06.2021]
(GESTIS) |
Übersetzungen:
E | hydrogen |
F | hydrogène |
I | idrogeno |
S | hidrógeno |