TRPV
Abkürzung für transiente Rezeptor-Potential-Kationenkanäle der Vanilloid-Familie (bzw. der Unterfamilie V, V für Vanilloid; transient receptor potential vanilloid subfamily). Diese sind zelluläre Sensoren für bestimmte physikalische und chemische Reize. Die Unterfamilie besteht aus bislang sechs bekannten, strukturell verwandten Transmembranproteinen, TRPV1 bis TRPV6. Für die Entdeckung des TRPV1[1] wurde David Julius 2021 (zusammen mit Ardem Patapoutian, der zwei auf Druckreize reagierende Mechanorezeptoren entdeckte) mit dem Nobelpreis für Medizin ausgezeichnet[2].
Alle TRPV-Kationenkanäle bestehen aus vier Monomeren mit jeweils sechs Transmembranhelices. Eine detaillierte und illustrierte Beschreibung der Struktur des TRPV1 wurde von Lee et al. (2011) publiziert[3].
Zu Aktivatoren von TRPV siehe auch Endovanilloide und Algogene.
TRPV1
Der TRPV1 (veraltete Synonyme Vanilloid-Rezeptor oder Capsaicin-Rezeptor) stellt einen gut untersuchten Vertreter der TRPV-Familie dar. Dieser Ionenkanal kommt in den sensorischen Nervenzellen des zentralen und peripheren Nervensystems des Menschen und der Wirbeltiere vor.
Aktivierung
TRPV1 ändert bei etwa 43 °C seine Konformation so, dass Calcium-Ionen aus dem Extrazellularraum ins Zellinnere einströmen können. Durch die im Zellinnern erhöhte Calcium-Konzentration wird eine Reizkaskade ausgelöst, die in der Anregung primärer sensorischer Neuronen resultiert. Die neuronalen Signale werden anschließend in das Zentralnervensystem geleitet, wo der Sinneseindruck „Schmerz“ generiert wird[3,4].
Durch saure Bedingungen sowie durch die Bindung bestimmter chemischer Verbindungen, wie beispielsweise des Capsaicin aus Capsicum-Früchten, wird die Schwellentemperatur der TRPV1-Reizauslösung von 43 °C auf unter Körpertemperatur gesenkt. In der Folge kommt es zu einer dauerhaften Öffnung des Ionenkanals und zu einer anhaltenden Wahrnehmung von „Schmerz“. Dieser Mechanismus führt auch zur Wahrnehmung von Geschmacksschärfe beim Verzehr von Gewürzpaprika und Chilis.
Aktivatoren
Als ein zentrales Strukturmerkmal vieler TRPV1-aktivierender Substanzen (z. B. Capsaicin, Resiniferatoxin, [6]-Gingerol, Shogaol, siehe Abbildung) wurde ein Vanillyl-Rest erkannt (siehe A in Abbildung), der über variable Bindungsformen (B) mit einem meist apolaren Molekülteil (C) verbunden ist. Der letztgenannte Molekülteil ist jedoch für die Stärke der Bindung an die sogenannte „Vanilloid-Tasche“ des TRPV1-Rezeptors von großer Bedeutung[5]. Auch verschiedene „Nicht-Vanilloid“-Verbindungen sind zur Aktivierung des TRPV1-Rezeptors in der Lage, wie beispielsweise das in der Abbildung dargestellte Piperin aus Schwarzem Pfeffer (Piper nigrum L.) sowie das Allicin aus Knoblauch (Allium sativum L.)[6,7].
Ferner wurden auch bestimmte Proteine aus Spinnengiften isoliert, die eine irreversible Öffnung des TRPV1-Ionenkanals bewirken. Das Doppelknotentoxin (double-knot toxin) einer Chinesischen Vogelspinne (Haplopelma schmidti von Wirth) sowie das Gift der Grünen Trinidad-Vogelspinne (Psalmopoeus cambridgei Pocock) vermitteln ihre starke Schmerzwirkung über den TRPV1[8].
Pharmakologische Bedeutung
Aufgrund der Bedeutung von TRPV1 für die Schmerzwahrnehmung des Menschen wurden verschiedene Antagonisten und Agonisten des TRPV1 zur Behandlung von entzündlichem und neuropathischem Schmerz erprobt. TRPV1-Agonisten wie Capsaicin oder Resiniferatoxin führen bei längerer Einwirkung zur Desensibilisierung, weshalb beispielsweise Capsaicin erfolgreich zur Linderung rheumatischer Schmerzen verwendet werden kann. Neben diesen exogenen Agonisten sind auch verschiedene endogene Substanzen (Endovanilloide) wie das Anandamid bekannt.
TRPV1-Antagonisten wie Capsazepin blockieren den Rezeptor TRPV1. Der dabei beobachtete Verlust der Wahrnehmungsfähigkeit von Hitze sowie eine oftmals simultan eintretende Erhöhung der Körpertemperatur sind unerwünschte Nebenwirkungen vieler TRPV1-Antagonisten[9,10].
TRPV2–6
TRPV2, TRPV3 und TRPV4 werden in ähnlicher Weise wie der TRPV1 ebenfalls durch erhöhte Temperaturen aktiviert, jedoch unterscheiden sich die jeweiligen Schwellentemperaturen. TRPV2 besitzt eine höhere Schwellentemperatur (ca. 52 °C) als der TRPV1 (43 °C) und spricht nicht auf Capsaicin oder Säure an[11]. TRPV3 und TRPV4 haben Schwellentemperaturen bei etwa 30 °C. TRPV1–4 sind daher von großer Bedeutung für die Wahrnehmung von Wärme und Hitze. Im Unterschied zu TRPV1–4 werden TRPV5 und TRPV6 nicht durch Temperatur, sondern durch pH-Wert-Änderungen aktiviert[12].
Literatur
[1] Caterina, M. J.; Schumacher, M. A.; Tominaga, M.; Rosen, T. A.; Levine, J. D.; Julius, D., Nature (London), (1997) 389, 816–824; https://doi.org/10.1038/39807 [Prüfdatum 05.10.2021]
[2] The Nobel Prize, The Nobel Prize in Physiology or Medicine 2021; https://www.nobelprize.org/prizes/medicine/2021/summary/ [Prüfdatum 05.10.2021]
[3] Lee, J. H.; Lee, Y.; Ryu, H. C.; Kang, D. W.; Lee, J.; Lazar, J.; Pearce, L. V.; Pavlyukovets, V. A.; Blumberg, P. M.; Choi, R., J. Comput. Aided Mol. Des., (2011) 25, 317–327; https://doi.org/10.1007%2Fs10822-011-9421-5 [Prüfdatum 05.10.2021]
[4] Roth, K., Chem. Unserer Zeit, (2010) 44, 138–151; https://doi.org/10.1002/ciuz.201000525 [Prüfdatum 05.10.2021]
[5] Szolcsányi, J.; Sándor, Z., Trends Pharmacol. Sci., (2012) 33(12), 646–655; https://doi.org/10.1016/j.tips.2012.09.002 [Prüfdatum 05.10.2021]
[6] McNamara, F. N.; Randall, A.; Gunthorpe, M. J., Br. J. Pharmacol., (2005) 144, 781–790; https://doi.org/10.1038/sj.bjp.0706040 [Prüfdatum 05.10.2021]
[7] MacPherson, L. J.; Geierstanger, B. H.; Viswanath, V.; Bandell, M.; Eid, S. R.; Hwang, S.; Patapoutian, A., Curr. Biol., (2005) 15, 929–934; https://doi.org/10.1016/j.cub.2005.04.018 [Prüfdatum 05.10.2021]
[8] Bohlen, C. J.; Priel, A.; Zhou, S.; King, D.; Siemens, J.; Julius, D., Cell, (2010) 141, 834–845; https://doi.org/10.1016/j.cell.2010.03.052 [Prüfdatum 05.10.2021]
[9] Siemens, J.; Zhou, S.; Piskorowski, R.; Nikai, T.; Lumpkin, E. A.; Basbaum, A. I.; King, D.; Julius, D., Nature (London), (2006) 444, 208–212; https://doi.org/10.1038/nature05285 [Prüfdatum 05.10.2021]
[10] Xia, R.; Samad, T. A.; Btesh, J.; Jiang, L. H.; Kays, I.; Stjernborg, L.; Dekker, N., Curr. Top. Med. Chem., (2011) 11, 2180–2191; https://doi.org/10.2174/156802611796904843 [Prüfdatum 05.10.2021]
[11] Caterina, M. J.; Rosen, T. A.; Tominaga, M.; Brake, A. J.; Julius, D., Nature (London), (1999) 398, 436–441; https://doi.org/10.1038/18906 [Prüfdatum 05.10.2021]
[12] Zheng, J., Compr. Physiol., (2013) 3(1), 221–242; https://doi.org/10.1002/cphy.c120001 [Prüfdatum 05.10.2021]
Cao, E.; Liao, M.; Cheng, Y.; Julius, D., Nature (London), (2013) 503, 113–118; https://doi.org/10.1038/nature12823 [Prüfdatum 05.10.2021]
Szallasi, A.; Blumberg, M., Pain, (1996) 68, 195–208; https://doi.org/10.1016/s0304-3959(96)03202-2 [Prüfdatum 05.10.2021]