Saccharose
Saccharose ist ein aus α-d-Glucose und β-d-Fructose aufgebautes nicht reduzierendes Disaccharid.
Eigenschaften
β-d-Fructofuranosyl-α-d-glucopyranosid; | |
57-50-1 (GESTIS) | |
Schüttdichte 0,930 t/m3 (Kristallzucker) bzw. ca. 0,600 t/m3 (Puderzucker). Saccharose ist leicht löslich in Wasser (siehe Tabelle), in Pyridin, Dimethylformamid und Dimethylsulfoxid, wenig löslich in Ethanol, unlöslich in Diethylether. Fast alle Organismen können Saccharose als Nahrungsquelle nutzen. Die wichtigste Eigenschaft der Saccharose ist ihr süßer Geschmack (Bezugssubstanz bei Messung der Süßkraft S = 100, vergleiche Süßstoffe), auf dem ihre große wirtschaftliche Bedeutung beruht. Bei 5 °C schmeckt Fructose süßer als Saccharose, bei höheren Temperaturen (>40 °C) ist es umgekehrt. Der intensivste Geschmack wird von Saccharose bei 32–38 °C erreicht. Der Name leitet sich ab von Sacchar....
Die Carbonyl-Funktionen der Glucose-Einheit und der Fructose-Einheit sind an der glycosidischen Bindung des Saccharose-Moleküls beteiligt. Daraus folgt: Es existieren keine anomeren Formen; Mutarotation, Osazon-Bildung und die Reduktion Fehlingscher Lösung finden nicht statt. Durch saure oder enzymatische Hydrolyse (siehe Invertase) wird Saccharose in Glucose und Fructose gespalten (Invertzucker). Saccharose ist sehr säureempfindlich, weshalb bei der Zuckergewinnung in den Zuckerfabriken der pH-Wert streng kontrolliert werden muss. Die Hydrolyse beginnt bereits bei pH 8,5, in wässriger Lösung ist Saccharose bei pH 9,0 am stabilsten. Starke Alkalien überführen Saccharose in Gemische organischer Säuren (überwiegend Milchsäure), Ketone und cyclischer Kondensationsprodukte. Der Mechanismus ist unklar, Hydrolyse zu Glucose und Fructose tritt nicht ein. Die thermische Zersetzung von Saccharose beginnt ab 160 °C zu komplexen Gemischen von nicht reduzierenden Trisacchariden (Kestosen, siehe Fructooligosaccharide).
Vorkommen
In größeren Mengen im Zuckerrohr (20 % Gehalt an Saccharose), der Zuckerrübe (ca. 16–20 %) und Zuckerpalmen (Palmzucker, ca. 11–14 %); in kleinen Mengen in zahlreichen Pflanzen, z. B. Datteln, Zuckermais, Baumsäften (unter anderem Ahornsaft).
Gewinnung
Die kommerzielle Gewinnung der Saccharose erfolgt durch Extraktion von Zuckerrohr (siehe Abbildung 2) oder Zuckerrüben.
1. Gewinnung von Rübenzucker
Zuckerrüben (Beta vulgaris subsp. vulgaris var. altissima und saccharifera, Chenopodiaceae) werden vorwiegend in Europa, von der Poebene bis Südschweden, angebaut und sind die Feldfrüchte mit der höchsten Nährwertproduktion je Flächeneinheit. Als optimale Pflanzenzahl gelten 65000–80000 Rüben je Hektar. Aufgrund des großen Blattanteils (wesentlich größer als bei der Futterrübe) ist die Assimilationsfläche je Hektar um ein Vielfaches größer als bei anderen Kulturpflanzen. Die Zuckerherstellung erfolgt in der EU seit 1981 im Rahmen festgelegter Kontingente. Die Preise für die Grundquote (A-Quote) und Höchstquote (B-Quote) werden im Voraus festgelegt, darüberhinausgehende Erntemengen (C-Quote) werden als C-Zucker auf dem Weltmarkt (nicht in der EU) zum aktuellen Weltmarktpreis veräußert. Bei einem durchschnittlichen Rübenertrag von 45 t/ha erhält man 6 t Saccharose pro Hektar. In Deutschland ist eine nahezu vollständige Eigenversorgung mit Zucker gegeben. 3 % des Weltmarktes an Pflanzenschutzmitteln gehen in den Rübenanbau.
Die Rüben werden während der „Zuckerkampagne“, diese liegt in den jeweiligen Haupterntezeiten, an die Zuckerfabriken geliefert. In Deutschland ab etwa Mitte September bis Ende Dezember, in Großbritannien noch bis Ende Februar, auf der iberischen Halbinsel erfolgt die Aussaat erst im Herbst und die Ernte März/April. Rüben sind empfindlich und der Saccharose-Gehalt verringert sich durch enzymatischen Abbau rasch, weshalb sie gleich nach der Ernte verarbeitet werden sollten. Über sogenannte Schwemmkanäle entlang von Schmutzsammlern werden sie zur Waschanlage befördert, wo sie über verschiedene Waschvorrichtungen und Siebe von anhaftendem Schmutz befreit und mit unterschiedlichen Zerkleinerungssystemen zu sogenannten Rübenschnitzeln verarbeitet werden. Das Waschwasser enthält bereits zu viel Saccharose, um es ohne Klärung (zu hoher biologischer Sauerstoff-Bedarf) abzuleiten, weshalb es in Klärbecken vorbehandelt werden muss. Das teilweise Denaturieren der Zellwände kann durch Erwärmung der Schnitzel nach dem Schnitt je nach deren Unversehrtheit auf 50–70 °C erfolgen. Diese Erwärmung reduziert auch die mikrobiologische Aktivität. Die Rübenschnitzel werden im Gegenstromprinzip mit Wasser (ca. 5–20 % mehr als Rübeneinwaage) extrahiert, Verweilzeit in der Extraktionsanlage ca. 40–60 min. Bei gesunden, ungefrorenen Rüben tritt die Saccharose aus den Zellen in den Extrakt aus, die anderen Zellbestandteile bleiben weitgehend in den Zellen. Mehr Wasser würde zwar Saccharose vollständiger, aber auch andere Verunreinigungen besser extrahieren. Der Rohsaft enthält neben 13–15 % Saccharose auch Proteine, Pektine, freie Aminosäuren (Glutamin), organische Säuren und anorganische Salze, ist dunkelgrau trübe von Zellbestandteilen, sehr feinem Schmutz und kolloidalen Verunreinigungen, insgesamt enthält er >70 % Feststoffe. Die extrahierten Schnitzel (Wassergehalt 92 %, Saccharose-Gehalt 1 %) werden bis auf einen Wassergehalt von 75 % ausgepresst. Rübenschnitzel lassen sich nur schwer auspressen, sodass hohe Energiekosten für deren Trocknung entstehen. Insgesamt gehen 2 % des Saccharose-Gehaltes der Zuckerrüben mit den ausgepressten Schnitzeln verloren, die als Viehfutter Verwendung finden. Das Presswasser wird in die Extraktionsanlage zurückgespeist. Falls notwendig werden dann noch Desinfektionsmittel zugeführt. Der Rohsaft wird mit Kalkmilch oder gebranntem Kalk versetzt, 2–5 % bezogen auf die eingesetzte Rübenschnitzelmenge. Diese Kalkung (Scheidung) bewirkt das Ausfällen von Calciumsalzen der enthaltenen organischen Säuren, von Pektinen und Proteinen sowie die Umwandlung des Invertzuckers in organische Säuren, die keine unlöslichen Calciumsalze bilden. Dann erfolgt eine Senkung der Hydroxy-Ionenkonzentration mit Kohlendioxid. Calciumcarbonat wird hierbei ausgefällt (Carbonation oder Carbonatation). Der Dünnsaft wird filtriert und ein zweites Mal mit Kohlendioxid behandelt (T = 98 °C), wobei sich weniger Schlamm bildet als beim ersten Mal. Der sogenannte Scheideschlamm dient als Düngemittel. Der Extrakt wird beim Eindampfen zur Entfärbung mit Schwefeldioxid behandelt (Sulfitation, 150 ppm) und vom ausgefällten Calciumsulfit abfiltriert. Der so erhaltene klare Zuckersaft (Dünnsaft von 10–15 % Saccharose) wird zu Dicksaft eingedampft. Die Dicksaftreinheit (gewöhnlich bei 93 % Saccharose und 7 % Nichtzucker) ist ein Qualitätsmerkmal für die Zuckerausbeute bei Zuckerrüben und liefert die beste Aussage über den Anteil von Nichtzuckerstoffen. Der Dicksaft wird in Kochapparaten im Vakuum bis zur Übersättigung weiter eingedampft und mit Saccharose-Kristallen geimpft. Das Eindampfen erfolgt kontinuierlich. Das Kristall/Sirup-Gemisch (Muttersirup) wird zentrifugiert. Man erhält Rohzucker, der gleich weiterverarbeitet werden kann, und Grünsirup, der in einem zweiten Kochapparat erneut zur Kristallisation gebracht wird. Dieser Rohzucker ist weniger rein und wird dem frischen Dicksaft zugeführt. Der zweite Grünsirup kann eventuell noch einmal aufkonzentriert und ein noch schlechterer Zucker gewonnen werden. Der Sirup, der noch an den Rohzuckerkristallen haftet, wird mit aufgesprühtem Wasser in Zentrifugen entfernt. Der Endsirup aus der dritten Stufe, aus dem durch Kristallisation kein Rohzucker mehr gewonnen werden kann, heißt Melasse. Die Entzuckerung von Melasse mit Ionenaustauscherharzen ist bei der Rübenzuckergewinnung üblich. Dort enthält die Melasse noch 50 % Saccharose und nur 1–2 % Invertzucker, die Zuckerrohrmelassen enthalten dagegen 20–30 % Saccharose neben 15–20 % Invertzucker, sodass die Gewinnung von Saccharose hier zu teuer wird.
Bei der Zuckerraffination bzw. Zuckeraffination wird der Rohzucker mit wenig Wasser versetzt („gedeckt“ 30 %) und zur „Kläre“ gelöst, mit Aktivkohle (Carbonation), Kieselgur (Filtration) und/oder Entfärberharzen (früher Knochenkohle) gereinigt und zu schneeweißer Raffinade (Weißzucker, Affinade) verkocht; siehe auch Zuckerartenverordnung.
Geschichte: Die Zuckerrübe hat die gleiche botanische Abstammung wie die Runkelrübe. Ihre Züchtung wurde nach der Entdeckung des Saccharose-Gehalts in der Runkelrübe 1747 von Markgraf begonnen. Der erste Zucker wurde fabriktechnisch von Achard aus der weißen schlesischen Runkelrübe gewonnen. Trotz einer vorübergehenden Konjunktur infolge der napoleonischen Kontinentalsperre kam die Zuckerproduktion bald wieder zum Erliegen. Erst ab 1840 nahm die Gewinnung von Rübenzucker durch technische Weiterentwicklungen (siehe unten) und züchterische Fortschritte erheblich zu.
2. Gewinnung von Rohrzucker
Zuckerrohr (Saccharum officinarum, Poaceae) wird in den Anbaugebieten ausgepresst und zu Rohrzucker verarbeitet. Nach der Ernte verringert sich der Saccharose-Gehalt durch enzymatischen Abbau, sodass die Verarbeitung schnell erfolgen muss (Anlieferzeiten möglichst <24 h). Die Weiterverarbeitung zu Raffinaden kann weltweit ganzjährig stattfinden.
Die Ernte erfolgt per Hand (0,5 t/h) oder vollmaschinell (30 t/h). Wichtigste Produktionsschritte: Waschung (falls Zuckerrohr aus sumpfigen Anbaugebieten kommt, z. B. Hawaii, Louisiana); Häckseln und Shreddern des Rohrs; Pressung der Fasern mit Walzen, hierbei wird zur besseren Ausbeute Wasser hinzugefügt; Klärung der gesammelten Extrakte (11–16 % Saccharose) durch Erhitzen (98–100 °C, beendet Enzymaktivität), Zusatz von Kalkmilch in Zuckerlösung (pH 7) und Flockungsmitteln (üblicherweise Polyacrylamide), sogenannte Defekation; die Kontrolle des pH bei 7–11,5 ist sehr wichtig (siehe oben, chemische Eigenschaften von Saccharose). Die Weiterverarbeitung zu Rohrzucker erfolgt wie für Rübenzucker beschrieben. Die Rohrzuckerfabriken erzeugen ihre Energie durch Verbrennung des Zuckerrohrstrohs, der Bagasse, die nach der Extraktion noch 50 % Wasser enthält. Der farbige Rohrzucker kann durch Sulfitation entfärbt werden, indem Schwefeldioxid in den Dünnsaft eingeleitet wird. Hierbei bleiben alle Nichtzuckerbestandteile des Rohrzuckers erhalten, er wird nur reduktiv entfärbt. Dieser Zuckertyp ist der meistverwendete Rohrzucker der Welt, jedoch für industrielle Zwecke ungeeignet (Rückstände, Trübungen, reduzierende Zuckerbestandteile). Raffinierten Rohrzucker erhält man wie bei Rübenzucker beschrieben. Neue Entwicklungen bei der Zuckergewinnung sind die energiesparende Membranfiltration zur Entfernung von Feststoffen außer Saccharose aus den Zuckersäften und Sirupen. Hierdurch kann direkt aus dem Zuckerrohrsaft ohne Sulfitation und Bleichung Weißzucker gewonnen werden.
Geschichte: Zuckerrohr stammt wahrscheinlich aus Neuguinea und kam im asiatisch-pazifischen Raum und in Indien vor. Von dort gelangte es im 4. Jahrhundert vor Christus mit den Truppen Alexanders des Großen nach Mazedonien („Honig ohne Bienen“). Im 11. Jahrhundert war Venedig das Zentrum des Handels und der Raffinerie von Zucker. Columbus brachte das Zuckerrohr nach Amerika. Zucker war bis zum 18. Jahrhundert sehr teuer. Die arbeitsaufwändige Gewinnung von Zucker ist im 17. und 18. Jahrhundert mit der Sklaverei verbunden, ab dem 18. Jahrhundert kamen Dampfmaschinen zum Einsatz. Wichtigste Erfindung war 1813 die Vakuumdestillation des Wassers; die Entfärbung mit Knochenkohle kam 1820 auf. 1852 wurde die Zentrifuge zur Trennung der Melasse von den Zuckerkristallen eingeführt und zur Energieeinsparung kam 1846 ein Verdampfungssystem hinzu. Die energieaufwändige Gewinnung des Zuckers führte zu starken Waldrodungen, Kuba wurde völlig abgeholzt. Als Ersatz für Holz wurde das ausgepresste Zuckerrohr, die Bagasse, verbrannt und war damit kein Abfall mehr. Prinzipielle analytische Methoden wurden Mitte des 19. Jahrhunderts entwickelt.
3. Gewinnung von Zucker ohne Zentrifugen
In Südamerika und Mittelamerika, in Asien (besonders Indien und Pakistan) wird Zucker durch Kochen des Zuckerrohrsaftes in offenen Kesseln gewonnen. Beginnt der Saft zu kristallisieren, wird er in Formen gegossen und ausgehärtet. Es sind hellbraune bis dunkelbraune Kuchen, die noch alle Verunreinigungen aus dem Zuckerrohr enthalten.
4. Gewinnung von Palmzucker
Diese Methode besitzt in Indien und Burma Bedeutung. Die Palmen werden an der Krone oder Blütenständen angezapft und der Saccharose-haltige Zellsaft (11–14 % Saccharose) durch Eindampfen auf offenen Pfannen zu einem dicken Sirup konzentriert, aus welchem Saccharose auskristallisiert. Man erhält pro Baum und Kampagne zwischen 20–180 kg Palmzucker.
Handelsformen
Saccharose kommt in vielen Formen in den Handel. Die wichtigsten davon sind:
Kristallzucker: übliche Handelsform.
Würfelzucker: Kompakte Zuckerwürfel, welche entweder nach dem Gussverfahren oder Pressverfahren hergestellt werden.
Puderzucker: Man gewinnt ihn durch Mahlen von Zucker in Prallmühlen oder Hammermühlen. Die Herstellung benötigt spezielle Sicherheitsmaßnahmen wegen der Gefahr der Staubexplosion.
Instantzucker: sehr schnell löslicher Zucker. Herstellung durch Agglomerieren von Puderzucker mit überhitztem Dampf.
Kandiszucker: Auskristallisieren einer reinen konzentrierten Zuckerlösung an Fäden unter langsamer Abkühlung. Man erhält farblose große Kristalle = weißer Kandis. Beim Zusatz von Karamelzucker oder Zuckercouleur erhält man braunen Kandiszucker.
Zuckerhüte, Zuckerbrot: Feste Formen der Saccharose, welche heute in Deutschland ohne praktische Bedeutung sind.
Karamelzucker: Erhitzen (Schmelzen) von Saccharose bzw. Saccharose-Lösung, dabei wird durch die begonnene thermische Zersetzung ein charakteristischer Geschmack (Karamelgeschmack) erhalten, siehe auch Karamel.
Gelierzucker: Zubereitung aus Kristallzucker, Trockenpektin, Weinsäure oder Citronensäure. Gehalt an Pektin 0,8–1,3 %, Weinsäure 0,4–0,7 %, Citronensäure 0,6–0,9 %. Bildet in wässriger Lösung ein stabiles Gel.
Flüssigzucker: Ist heute eine Versandform der Saccharose, die wegen der leichten Transportierbarkeit und Verteilbarkeit verwendet wird. Zur Herstellung wird Weißzucker in heißem salzarmen Wasser gelöst, filtriert und bei 138 °C 8 s sterilisiert. Nach Abkühlung auf 15–20 °C wird das Produkt steril gelagert und transportiert.
Die Zusammensetzung der im Handel befindlichen Zuckerarten ist durch die Zuckerartenverordnung geregelt.
Analytik
Die optische Rotation wässriger Saccharose-Lösung kann zur Bestimmung des Saccharose-Gehaltes und der Reinheit genutzt werden. Neben der Polarimetrie sind Refraktometrie und moderne instrumentelle Methoden wie GC und HPLC üblich.
Verwendung
Als Nahrungsmittel
(95,5 %). Mengenmäßig ist Saccharose eine der bedeutendsten Lebensmittelzutaten. Ihr Hauptnutzen in Lebensmitteln ist der Geschmack, aber auch andere Eigenschaften wie Körper, Struktur, Feuchtigkeitsrückhaltevermögen (Backwaren bleiben länger frisch), Geschmacksverstärkung, Konservierung und antioxidative Wirkung (in Form des Invertzuckers) sind bedeutsam. Saccharose dient Hefe und anderen Backtriebmitteln (Teiglockerungsmitteln) als Nahrung und Treibgasquelle. Reduzierende Zucker, die bei der Hydrolyse von Saccharose entstehen, gehen die Maillard-Reaktion zu Melanoidinen ein. Saccharose erhöht die Gelatinisierungstemperatur von Stärke, sodass Gebäck besser aufgeht, also lockerer wird, die Schaumstruktur von Biskuitteigen wird stabilisiert. Die Reaktion mit Milcheiweiß erzeugt den Karamelgeschmack einiger Süßwaren. Saccharose ist Fermentationssubstrat von Milchsäurebakterien in Buttermilch und erniedrigt den Gefrierpunkt von Eiscreme. In den USA wird in den letzten Jahren vermehrt der sehr preiswert durch enzymatische Hydrolyse von Maisstärke gewonnene Isomeratzucker (high-fructose corn syrup, HFCS) als Saccharose-Ersatz verwendet. In der Getränkeindustrie werden dort seit den 1980er Jahren zur Süßung nur Isomeratzucker und Süßstoffe statt Saccharose eingesetzt.
Als Substrat für chemische Synthesen
(0,5 %). Saccharose bildet mit Fettsäuren Ester (Veresterungsrate 1 bis 8), die aufgrund ihrer variablen Lipophilie breite Anwendung finden (siehe auch Saccharoseester); Saccharosemonoester (SME) als nichtionische Tenside und Emulgatoren sowie als Konservierungsmittel in Getränken, Saccharosepolyester (SPE, Olestra) werden als niedrigkalorischer Fettersatz in USA verwendet, andere Saccharoseester dienen zur Denaturierung von Alkohol, finden sich in Kunststoffen, Kosmetika oder Schmierstoffen. Saccharose-Acrylat-Derivate sind in Polymeren enthalten, die als Flockungsmittel, Wasserabsorbentien, Bioimplantate und Arzneimittelhilfsstoffe dienen. Saccharoseether finden Verwendung als Beschichtungsmittel und zur Synthese von Polyurethanen sowie als Zusatz in Isolier-, Verpackungs- und Holzersatzmaterialien. Durch Chlorierung erhält man Sucralose. Auf enzymatischem Wege erhält man aus Saccharose nützliche Derivate: aus Saccharose und Stärkehydrolysaten mit Cyclodextrin-Transferase die Süßstoffe Glucosylsaccharose und Maltooligosylsaccharose (in Japan gebräuchlich) oder auf ähnlichem Wege Fructooligosaccharide, ebenfalls Süßstoffe, die zwar weniger süß sind als Saccharose, jedoch weniger zahnschädigend, kalorienärmer und mit positiver Wirkung auf die Darmflora. Zahlreiche Saccharose-Derivate befinden sich jedoch noch in ökonomischer Konkurrenz zu Produkten petrochemischen Ursprungs.
Als Substrat in biotechnologischen Verfahren
in Form von Melasse als Edukt für diverse organische Verbindungen, besonders Milchsäure, Glutaminsäure, Citronensäure und Glycerol, Herstellung von Bäckerhefe und Brauhefe und Rum. Zur fermentativen Gewinnung von Ethanol (hierbei fällt als Nebenprodukt Kohlendioxid an), Dextran, Levan (siehe Fructooligosaccharide) und Alteran, einem Verdickungsmittel und Füllmittel zur Herstellung von kalorienreduzierten Speisen, Isomalt (Palatinit®) und Zuckerersatz (nicht in Deutschland).
Ernährungsphysiologie
Der pro-Kopf-Verbrauch pro Jahr von Saccharose liegt in Deutschland bei ca. 34 kg, die empfohlene Menge der Welternährungsorganisation der Vereinten Nationen WHO von 25 Gramm Haushaltszucker am Tag wird damit deutlich überschritten[1]. Dass ein solch hoher Verbrauch in Zusammenhang mit der Karieshäufigkeit steht, wird heute als erwiesen angesehen. Im Kampf gegen die Folgen von Saccharose-Fehlernährung kommt den Zuckeraustauschstoffen (Fructose, d-Glucitol, Xylitol) und den Süßstoffen besondere Bedeutung zu. Als unabdingbar erweist sich deren Verwendung in allen Fällen ernährungsphysiologischer Sonderlagen, in denen wie bei Hyperglykämie und beim Diabetes die Saccharose bzw. der Blutzucker infolge Insulin-Mangels nicht verwertet werden kann.
Zur gesundheitlichen Bedeutung siehe Zucker.
Literatur
[1] statista, Konsum von Zucker weltweit in den Jahren 2010/11 bis 2020/21; https://de.statista.com/statistik/daten/studie/454321/... [Prüfdatum 16.01.2022]
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Wirtschaftliche Vereinigung Zucker und Verein der Zuckerindustrie; http://www.zuckerwirtschaft.de [Prüfdatum 16.01.2022]
Zechmeister 55, 114–184
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Übersetzungen:
E | sucrose, saccharose |
F | saccharose, sucrose |
I | saccarosio |
S | sacarosa, sucrosa |