Radon
(chemisches Symbol Rn). Gasförmiges, radioaktives, zu den Edelgasen gehörendes chemisches Element, Ordnungszahl 86. Von Radon kennt man nur radioaktive Isotope mit Massenzahlen zwischen 196 und 228 und Halbwertszeiten (HWZ) von 0,27 μs (214Rn) bis 3,824 d (222Rn). Für einige dieser Isotope wurden früher eigene Namen verwendet, die ihrer Entstehung als gasförmige Zerfallsprodukte (Emanation) anderer radioaktiver Elemente Rechnung tragen (218Rn: Astat-Emanation, 219Rn: Actinium-Emanation oder Actinon, 220Rn: Thorium-Emanation oder Thoron und 222Rn: Radium-Emanation oder Radon). Alle natürlich vorkommenden Radon-Isotope entstehen als kurzlebige Zwischenprodukte der radioaktiven Zerfallsreihen des Urans, Thoriums und Actiniums [siehe Radioaktivität (Abbildung 4)], bei denen sie ständig nachgeliefert werden. Da sich Radon als Gas verflüchtigt und ausbreitet, wird auch die Umgebung der fortgesetzt Radon-bildenden Radium-Präparate radioaktiv. Fast alle Radon-Isotope sind Alphastrahler (siehe Alphastrahlung) und gehen entweder direkt oder nach mehreren, aufeinander folgenden Kernzerfällen in Polonium-, Blei- oder Bismut-Isotope über, die sich in der Umgebung des Mutternuklids ablagern.
Radon ist bei Zimmertemperatur ein farbloses, schweres Gas (Gasdichte 9,73 g/L) mit einem Siedepunkt von −61,8 °C und einem Schmelzpunkt von −71 °C. Von Radon sind Edelgas-Verbindungen der Zusammensetzung RnF2, RnF+[SbF6]− und andere Fluoro-Komplexe sowie Clathrate mit Wasser, Chlorwasserstoff und Phenol beschrieben. Die meisten dieser Radon-Verbindungen sind bislang strukturell nicht zweifelsfrei charakterisiert[1]. Das liegt einerseits an der starken Alphastrahlung der Radon-Isotope, die zu Autoradiolyse der Produkte führen kann, andererseits limitieren die kurze Halbwertszeit von 222Rn und dringend notwendige Strahlenschutzvorkehrungen strukturchemische Untersuchungen an Radon-Verbindungen. Für Näheres zu den physikalisch-chemischen, physiologischen und allen anderen Eigenschaften des Radon siehe Literatur[2].
Vorkommen
Radon ist neben Plutonium eines der seltensten Elemente unserer Erdrinde. Der Radon-Anteil wird auf nur 0,62 ppq geschätzt, der Radon-Gehalt der Luft beträgt 0,046 ppq. Radon wird permanent in Spurenmengen aus allen Uran- oder Thorium-haltigen Mineralen freigesetzt. Es ist auch in Quellwässern, besonders in der Nähe radioaktiver Lagerstätten (Karlsbad, Joachimsthal) und in der Luft von aufgelassenen Bergwerksstollen (Bad Gastein) enthalten. Erhebliche Radon-Mengen können zweifelsfrei bei Vulkanausbrüchen frei werden. Berichte, nach denen allein im Fall der Mount-St.-Helens-Eruption (USA) im Mai 1980 ca. 1017 Bq freigesetzt wurden[3], konnten jedoch von nachfolgenden Studien nicht bestätigt werden und gelten als deutlich zu hoch[4,5].
Gewinnung
Geringe Mengen Radon können durch Abpumpen aus Radium-(Ra-)Präparaten gewonnen werden, da 22688Ra in einer exothermen Reaktion durch Aussenden eines Alphateilchens in 222Rn übergeht, wobei aus 1 g Radium in 30 Tagen 0,64 cm3 Radon gebildet werden.
Nachweis
Zum Nachweis und zur Bestimmung wird das vom Mutternuklid freigesetzte Radon mit einem Trägergas einer geeigneten Meßanordnung (z. B. Elektroskop, Szintillationszähler, Alphaspektrometrie etc.) zugeführt[6].
Verwendung
In der Festkörperchemie dient die sogenannte Hahnsche Emaniermethode zur Porosimetrie und zur Ermittlung von Phasenumwandlungs- und Reaktionstemperaturen. Sie beruht darauf, daß sich die ansonsten konstante Radon-Abgabe aus in Festkörpern eingebautem Radium bei Strukturänderungen schlagartig vervielfacht (Emanationsschwall), was sich exakt messen läßt.
Zur therapeutischen Verwendung von Radon siehe Radonkur.
Umweltaspekte
Ca. 50 % der natürlichen Strahlenbelastung der Bevölkerung (1–1,5 mSv/a) sind auf Radon-Isotope und deren Zerfallsprodukte zurückzuführen (siehe auch natürliche Strahlenexposition). Als Edelgas diffundiert Radon aus dem Boden, dem Baustoff der Häuser und dem Wasser und kommt daher überall in der Umwelt vor. Mit erhöhten Radon-Belastungen ist insbesondere da zu rechnen, wo sich die Gegenwart von Uran-Spuren nicht ausschließen läßt, also z. B. in Phosphat-Düngemitteln. Nahezu unvermeidlich ist die Inhalation von Radon-Spuren in umbauten Räumen, weil praktisch alle Baumaterialien Spuren von radioaktivem Uran oder Thorium enthalten (siehe Baustoffe). Die höchsten Lungendosen werden durch 222Rn verursacht, 220Rn (HWZ 55,6 s) trägt im allgemeinen zu ca. 10 % zur Dosis bei und die Dosis durch 219Rn (HWZ 4 s) ist vernachlässigbar. Die Abbildung zeigt die Zerfallsreihe von 222Rn bis zum langlebigen 210Pb.
Die Radon-Konzentration in der Bodenluft ist sehr stark vom geologischen Untergrund abhängig. Sie schwankt in Deutschland zwischen Werten von wenigen kBq/m3 und >100 kBq/m3. Regionen mit relativ hoher Belastung des Bodens sind auf Teile der Eifel, des Schwarzwalds, des Bayerischen Waldes, Fichtelgebirges, Harzes, Thüringer Waldes und des Erzgebirges beschränkt. Einzelheiten sind in Merkblättern des Umweltministeriums und in einer vom Bundesamt für Strahlenschutz veröffentlichten Karte zur Radon-Verteilung in Deutschland zusammengestellt[7,8]. Die Radon-Konzentration in der Bodenluft ist ein Maß dafür, wie viel Radon im Untergrund zum Eintritt in die Gebäude zur Verfügung steht. Typischerweise kann davon ausgegangen werden, daß die Radon-Konzentration in Gebäuden zwischen 1 und 5 Promille der entsprechenden Bodenluftwerte beträgt. Systematische Messungen in allen Teilen Deutschlands ergaben einen durchschnittlichen Wert für die Radon-Konzentration in umschlossenen Räumen von 50 Bq/m3. Örtlich wurden allerdings deutlich höhere Konzentrationen gemessen. Die Tabelle zeigt für Wohnungen den geometrischen Mittelwert aller gemessenen Radon-Aktivitätskonzentrationen und den Anteil an Wohnungen mit einer höheren Radon-Aktivitätskonzentration als 50, 250 bzw. 1000 Bq/m3 geordnet nach Bundesländer[9].
Im Freien liegt der Mittelwert um 15 Bq/m3. Beim Einatmen Radon-haltiger Luft verbleiben ca. 25 % der Radioaktivität im Atmungstrakt.
Strahlenschutz
Auf der Grundlage neuerer Studien wurde von der Strahlenschutzkommission 2005 ein signifikanter Zusammenhang von Radon-Konzentrationen von >100 Bq/m3 in der Atemluft und dem Lungenkrebsrisiko festgestellt[10].
An Arbeitsplätzen, z. B. in Bergwerken, in Aufarbeitungsanlagen oder im Labor, ist für eine Entfernung Radon-kontaminierter Luft durch Absaugen oder durch Radon-Absorber zu sorgen, um Schäden durch ionisierende Strahlung zu vermeiden; für Näheres zur Wirkung siehe ionisierende Strahlung. Die gültige Strahlenschutzverordnung schreibt vor, daß die 222Rn-Konzentration an strahlenexponierten Arbeitsplätzen so zu gestalten ist, daß das Produkt aus 222Rn-Konzentration und der Aufenthaltszeit im Kalenderjahr einen Wert von 2 MBq pro Kubikmeter mal Stunden nicht überschreitet[11]. Damit soll sichergestellt werden, daß eine effektive Dosis von 6 mSv im Kalenderjahr für die dort Beschäftigten nicht überschritten wird. Die Verwendung der früher häufig zur Quantifizierung der Strahlenbelastung durch Radon und seiner Zerfallsprodukte benutzten Einheit working level month (WLM) wird heute von der IAEA nicht mehr empfohlen. Über Radon und das Risiko durch Arbeiten in Bergwerken siehe Schneeberger Lungenkrankheit und Wismut GmbH.
Geschichte
Schon Marie Curie und Pierre Curie hatten beobachtet, daß sich die Radioaktivität von Radium-Präparaten in die Umgebung ausbreitet. 1900 stellte Dorn fest, daß dies von einer gasförmigen Ausdünstung (Emanation) herrührte und führte für diesen Stoff, von dem wir heute wissen, daß es sich um 222Rn handelt, das Symbol Em ein. Später wurde die Bildung ähnlicher radioaktiver Gase bei Thorium (1900, Sir Ernest Rutherford, Thoron, Tn, 220Rn) und Actinium (1903, Giesel und 1905, Debierne, Actinon, An, 220Rn) gefunden[12]. Sir William Ramsay, der den bis 1934 gültigen Namen Niton (Symbol Nt) vorschlug, kennzeichnete 1910 das 222Rn durch sein Spektrum; er ermittelte auch seine Gasdichte und die Atommasse. Weitere Literatur zur Radon-Historie findet sich in Literatur[13].
Literatur
[1] Steudel, R., Chemie der Nichtmetalle, 2. Aufl.; de Gruyter: Berlin, (1998)
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[2] Woodhouse, J., In Molecules of Death, Waring, R. H.; Steventon, G. B.; Mitchell, S. C., Hrsg.; Imperial College Press: London, (2002), S. 197–213
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[3] Fruchter, J. S. et al., Science, (1980) 209, 1116–1125
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[4] Soldat, J. K.; Kathren, R. L.; Corley, J. P.; Strenge, D. L., Science, (1980) 213, 585
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[5] Leifer, R.; Hinchliffe, L.; Fisenne, I.; Franklin, H.; Knutson, E.; Olden, M.; Sedlacek, W.; Mroz, E.; Cahull, T., Science, (1980) 214, 904–907
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[6] Townshend, A., Hrsg., Encyclopedia of Analytical Science, Academic Press: Oxford, (1995); Bd. 7, S. 4359–4361
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[7] Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMUB), Hrsg., Radon – Merkblätter zur Senkung der Radonkonzentration in Wohnhäusern, BMU: Bonn, (2005); https://www.landkreis-wunsiedel.de/file/merkblaetter-radon.pdf [Prüfdatum 23.10.2019]
[8] Bundesamt für Strahlenschutz (BfS), Hrsg., Die Radonkarte Deutschlands; http://www.bfs.de/DE/themen/ion/umwelt/radon/karten/karten_node.html [Prüfdatum 24.01.2019]
[9] Lehmann, R.; Kemski, J.; Siehl, A., Radonkonzentration in Wohngebäuden der Bundesrepublik Deutschland (BfS-ST-14/97), Bundesamt für Strahlenschutz (BfS): Salzgitter, (1997), S. 10–12
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[10] Strahlenschutzkommission (SSK), Lungenkrebsrisko durch Radonexpositionen in Wohnungen, Bonn (2005); https://www.ssk.de/SharedDocs/Beratungsergebnisse/2005/... [Prüfdatum 01.02.2018]
[11] Strahlenschutzverordnung (StrlSchV) vom 26.07.2001 [BGBl. I, S. 1714 (Ber. 2002, S. 1459)], §§ 97–99
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[12] Marshall, J. L.; Marshall, V. R., Bull. Hist. Chem., (2003) 28, 76–83
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[13] Dedek, W., Naturwiss. Rundsch., (2001) 54, 526–532
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Übersetzungen:
E | radon |
F | radon |
I | radon |
S | radón |