IR-Spektroskopie
(Infrarotspektroskopie). Bezeichnung für ein von W. W. Coblentz 1905 erstmals praktiziertes, heute zur Routinemethode entwickeltes Verfahren der optischen Spektroskopie, bei dem die Absorptionsspektren von anorganischen und organischen festen, flüssigen oder gasförmigen Verbindungen im Bereich des nahen (NIR), mittleren (MIR) und fernen Infrarot (FIR) zur qualitativen bzw. quantitativen Analyse und zur Konstitutionsermittlung herangezogen werden; zur Wellenlängenbegrenzung siehe Infrarotstrahlung.
Funktionsprinzip und Datenauswertung
Während die sichtbaren und UV-Spektren durch Elektronensprünge zustande kommen (UV-Spektroskopie als Elektronenspektroskopie), sind die IR-Spektren Schwingungsspektren, die dadurch zustande kommen, dass innerhalb der Moleküle die an den Bindungen beteiligten Atome Schwingungen ausführen; Näheres zur Anzahl der anregbaren Schwingungsfreiheitsgrade siehe dort.
Man kann sich ein mehratomiges Molekül als eine Gruppierung von Massenpunkten (den Atomkernen) vorstellen, die geometrisch in einer bestimmten Weise zueinander angeordnet sind und durch „Federn“ (diese sollen die Kräfte der jeweiligen chemischen Bindungen versinnbildlichen) in Gleichgewichtslagen gehalten werden, um die sie Schwingungen ausführen, wenn ihnen die nötige Anregungsenergie in Form von IR-Strahlung zugeführt wird. Bedingung für die Anregung ist, dass mit der Schwingung eine periodische Änderung des Dipolmoments des Moleküls verbunden ist. Bewegen sich 2 solche Atomkerne annähernd in Richtung der „Feder“ (des „Valenzstrichs“), so liegen Valenzschwingungen vor (Streckschwingungen, V. S. in Abbildung 1). Dagegen spricht man bei Änderungen des von Valenzkräften eingeschlossenen Winkels bei dreiatomigen Molekülen von sogenannten Deformationsschwingungen (D. S. in Abbildung 1).
Abbildung 1: Normalschwingungen einfacher Moleküle. Es bedeuten: V. S. = Valenzschwingung und D. S. = Deformationsschwingung. Im Einzelnen: v = Streckschwingung, symmetrisch (s) oder asymmetrisch (as) (stretching vibration); δ = Spreizschwingung, Deformationsschwingung in der Ebene (in plane bending vibration); ρ = Pendelschwingung in der Ebene (rocking vibration); κ = w = Kippschwingung aus der Ebene, nach vorn (+) und nach hinten (−) (wagging vibration); τ = t = Torsionsschwingung aus der Ebene, Drillschwingung (twisting vibration); γ = Deformationsschwingung aus der Ebene (out of plane bending vibration).
Gruppen mit Atomkernen von verschiedenen Massen (z. B. C≡N, C=O, C−Cl, C−H usw.) und/oder verschiedenen Bindungskräften (C=C, C≡C usw.) haben verschieden starke Absorptionsbanden und absorbieren in jeweils verschiedenen, vielfach charakteristischen, begrenzten Bereichen, wie die Tabelle zeigt.
In Literatur[1] sind diese Korrelationen bildlich dargestellt. Abbildungen derartiger Bandendiagramme findet man in Lehrbüchern der organischen Chemie und in Tabellenwerken, z. B. in Literatur[2], wo auch anorganische Moleküle berücksichtigt sind.
Aus der Bedingung, dass die Schwingungen mit Änderungen des Dipolmoments einhergehen müssen, um IR-spektroskopisch wirksam werden zu können, folgt, dass bei symmetrischen Molekülen wie H2, N2, O2 keine IR-Spektren zu beobachten sind. Dagegen können solche Verbindungen durch die Raman-Spektroskopie (siehe die Linienzuordnung dort) untersucht werden. Man spricht deshalb von infrarotaktiven/infrarotinaktiven und ramanaktiven/ramaninaktiven Bindungen. Beide Methoden ergänzen einander und bei beiden können in bestimmten Fällen aus der Überlagerung von Rotationsspektren und Schwingungsspektren (z. B. im fernen Infrarot, FIR) Rotationsschwingungsspektren hervorgehen.
Messanordnungen und Detektion
Konventionelle IR-Spektrometer
Konventionelle IR-Spektrometer bestehen im Wesentlichen aus Lichtquelle, Monochromator, Empfänger sowie Registrier- und Auswerteeinheit. Als Lichtquelle (IR-Quelle, Strahler) werden Nernst-Stifte (hochschmelzende Stäbchen aus 85 % ZrO2 und 15 % Y2O3), Nichrom-Wendeln oder Globare (SiC-Stab) bei Temperaturen von 1200–1600 °C verwendet. Die Spektrometer (Strahlengang siehe Abbildung 2) werden in der Regel als Zweistrahlgeräte betrieben. Das von der Lichtquelle ausgesandte Licht wird durch ein Spiegelsystem in zwei Strahlen zerlegt, in einen Mess- und einen Referenzstrahl. Beide Strahlen fallen danach auf einen mit einer Frequenz von ca. 5 Hz rotierenden Sektorspiegel, der Vergleichs- und Messstrahl zeitlich nacheinander auf den Eintrittsspalt des Monochromators reflektiert. Der Monochromator zerlegt die Lichtstrahlen, wobei das Spektrum durch Drehen der Gitter auf den Austrittsspalt abgebildet wird. Als Empfänger dient z. B. ein empfindliches Thermoelement, dessen Verstärker auf Nullabgleich bei gleicher Intensität von Mess- und Referenzstrahl geschaltet ist. Absorbiert nun die Probe Energie, entsteht ein Strom, der über einen Motor eine Kammblende so in den Referenzstrahl einführt, bis gleiche Intensität von Mess- und Referenzstrahl wieder hergestellt ist. Die Stellung der Kammblende kann als Maß für die Absorption über die Registriereinheit ausgewertet werden.
Fourier-Transform-IR-Spektrometer
Die konventionellen IR-Spektrometer sind in zunehmendem Maße durch Fourier-Transform-IR-Spektrometer (FT-IR-Spektrometer) verdrängt worden. Abbildung 3 zeigt das Prinzip eines derartigen Gerätes. Das Herzstück des FT-IR-Spektrometers ist das Michelson-Interferometer. Der Breitband-IR-Strahl einer thermischen Lichtquelle trifft auf einen Strahlteiler, der im Idealfall die Hälfte des Strahles durchlässt und die andere Hälfte reflektiert. Der reflektierte Teil wird nach Durchlaufen einer Distanz L vom festen Spiegel wieder auf den Strahlteiler reflektiert. Der durchgelassene Teil durchläuft eine Strecke gleicher Länge und trifft auf einen beweglichen Spiegel, der sich entlang seiner optischen Achse zusätzlich um die Strecke x bewegt. Die vom Strahlteiler nach der Reflexion vereinigten kohärenten Strahlen haben einen Gangunterschied von Δ = 2x und interferieren. Der von der Bewegung des Spiegels modulierte Strahl durchläuft die Probe und wird auf den Detektor fokussiert. Dort wird das Interferogramm registriert. Durch ein mathematisches Verfahren, die Fourier-Transformation, erhält man ein Einstrahlspektrum und durch Vergleich mit dem Referenzspektrum (Untergrund) das analoge Spektrum wie von dispersiven Geräten.
Zwei Detektortypen werden hauptsächlich für FT-IR-Geräte im mittleren IR-Bereich eingesetzt. Dies sind der DTGS-pyroelektrische Detektor (DTGS = deuteriertes Triglycinsulfat, siehe Triglycin-Salze) und der Quecksilber-Cadmium-Tellurid-Photodetektor (MCT-Photodetektor). Der DTGS-Typ, der bei Raumtemperatur arbeitet und einen großen Frequenzbereich abdeckt, ist der üblicherweise eingesetzte Detektor. Der MCT-Typ besitzt ein schnelleres Ansprechverhalten und ist empfindlicher als der DTGS-Detektor. Da er aber mit flüssigem Stickstoff gekühlt werden muss und zudem sowohl einen eingeschränkten Frequenz- als auch dynamischen Bereich aufweist, ist er Spezialzwecken vorbehalten.
Die FT-IR-Spektrometer haben gegenüber den konventionellen Geräten eine Reihe von Vorteilen. Bei Gittergeräten wird die Strahlungsenergie als Funktion der sich durch den Monochromator kontinuierlich ändernden Wellenlänge aufgenommen. Dabei erreicht, in Abhängigkeit von der gewählten Auflösung, nur ein geringer Bruchteil (<0,1 %) der ursprünglichen Lichtintensität den Detektor. Im FT-IR-Gerät dagegen erreichen alle von der Lichtquelle ausgesandten Frequenzen simultan den Detektor. Dies führt zu einem beträchtlichen Vorteil bezüglich Zeitersparnis und zu einem großen Signal-/Rausch-Verhältnis. Dieser Vorteil ist auch als Multiplex- oder Fellgett's Vorteil bekannt. Infolge der runden Aperturen mit großer Oberfläche gegenüber Spalten haben FT-IR-Geräte einen um Größenordnungen erhöhten Intensitätsvorteil (Jacquinot's Vorteil). Die Aufnahmezeit für ein Spektrum entspricht der Zeitspanne, die der bewegliche Spiegel im Interferometer benötigt, um seine Strecke zurückzulegen. Da sich der Spiegel sehr schnell bewegt, kann ein Spektrum innerhalb eines Bruchteils einer Sekunde aufgenommen werden. Mit Hilfe eines Helium-Neon-Lasers kann die Position des beweglichen Spiegels und damit die Wellenlänge sehr genau bestimmt werden (Connes' Vorteil).
Materialien und Durchführung
Die am häufigsten bei Routineanwendungen eingesetzte Methode ist die Messung der Transmission. Sie ist auf alle Arten von Proben anwendbar. Für Gase und Flüssigkeiten benötigt man Küvetten mit IR-durchlässigen Fenstern (Dicke jeweils in Klammern) aus Glas (bis höchstens 2,5 μm), Quarz (bis 3 μm), Lithiumfluorid (bis 5,4 μm), Flussspat (bis 8 μm), Natriumchlorid (bis 15 μm), Kaliumbromid (10–15 μm), KRS-5 (Thalliumbromid und -iodid, 15–40 μm) und dergleichen und für feste Proben entsprechende Probenhalter. Für flüssige und gelöste Proben gibt es eine große Variation an Küvettentypen, darunter beheizbare Durchflussküvetten und solche mit variablem Lichtweg. Da die meisten Substanzen starke IR-Absorber sind, müssen solche Zellen einen kleinen (0,025–1 mm) optischen Lichtweg aufweisen. Sie sind daher aus zwei IR-transparenten Fenstern mit unterschiedlichen Spacern (Abstandshalter bei Küvetten) aufgebaut. Bei Gasen muss der Lichtweg sehr groß sein (20 cm bis km), da ihre IR-Absorption gering ist und die zu messende Spezies oft nur einen Bruchteil des gesamten Gasvolumens ausmacht. Für feste Proben eignet sich auch die Einbettungstechnik in Nujol oder Hexachlorbenzol sowie die Presslingtechnik in KBr, das unter Druck (10 t/cm2) sogenannte Kaltflüssigkeit zeigt, d. h. unter Druck glasartig durchsichtig wird. Proben, die für die Transmissionsmessung ungeeignet sind (Pasten, Beschichtungen von Oberflächen, Kunstfasern, wässrige Lösungen) lassen sich meist bequem mit der sogenannten ATR-Technik (attenuated total reflection = abgeschwächte Totalreflexion) untersuchen; siehe ATR-Infrarotspektroskopie.
Bei der Transmissionsmessung passieren die IR-Strahlen der Lichtquelle (I0) die Küvette, worin die Moleküle der Substanz jeweils Strahlen von bestimmter Wellenlänge in bestimmten Prozentsätzen absorbieren, sodass ein Absorptionsspektrum zustande kommt, das für jede einzelne organische Verbindung mehr oder weniger charakteristisch ist. Die vom Empfänger registrierte IR-Strahlungsabsorption (I) wird in eine Signalspannung von 10−7 bis 10−9 V umgewandelt, auf das 106- bis 109-fache verstärkt und so umgeformt, dass in einem elektronischen Registriergerät („Schreiber“) die jeweilige IR-Durchlässigkeit der Substanz in Abhängigkeit von der Wellenlänge λ als Kurvenzug (IR-Spektrum) auf dem Registrierpapier erscheint. Auf der Abszisse werden die Wellenlängen (bzw. deren Reziproke, die heute bevorzugten Wellenzahlen ) aufgetragen, die dazugehörige Ordinate gibt die Transmission (τ) an; die jeweiligen Absorptionswerte solcher photometrischer Absorptionskurven sind auf ca. 1 %, die Wellenzahlenangaben auf ca. ±0,02 % genau (für ein Beispiel eines IR-Spektrum von 4-Nitrobiphenylcarbonsäure in KBr siehe Literatur[4]). Dabei wird der Wellenzahlbereich 400–2000 cm−1 (diese Dimension wurde früher auch Kayser genannt) linear gedrängt dargestellt.
Gerätekopplung
Die IR-Spektroskopie lässt sich auch mit anderen Analysemethoden koppeln, als Detektor z. B. in der Gaschromatographie oder zur ortsaufgelösten IR-Spektroskopie in der Infrarot-Mikroskopie.
Zur Kopplung der FTIR-Spektroskopie mit der Gaschromatographie (GC) werden 2 unterschiedliche Interface-Typen eingesetzt.
„Light-pipe“-Interface
Nach der gaschromatographischen Trennung gelangen die Substanzen über eine geheizte Transferkapillare in die „light pipe“ (Kapillare mit innerer Gold-Beschichtung, 100–200 μm im Durchmesser). Die vom Globar abgegebene Strahlung wird durch diverse Spiegel durch diese Kapillare und dann auf einen MCT-Detektor gelenkt, wodurch ständig Interferogramme aufgenommen werden. Abbildung 4 zeigt den Aufbau einer GC-FTIR-Kopplung mit dem „Light-pipe“-Interface.
Abbildung 4: Schema einer GC/IR-Kopplung über die light pipe. Light-pipe-Interface: 1 = Injektor, 2 = Trennsäule, 3 = GC-Ofen, 4 = Transferkapillare, 5 = light pipe, 6 = Globar, 7 = MCT-Detektor, 8 = Michelson-Interferometer, 9 = Helium-Neon-Laser.
Direct-deposition-Interface
(„tracer interface“). Hier wird das GC-Eluat wiederum durch eine geheizte Transferleitung auf ein Zinkselenid-Fenster geleitet. Dieses ZnSe-Fenster ist auf –196 °C heruntergekühlt und kann in x,y-Richtung durch einen Motor bewegt werden. Wenn eine Substanz die Transferkapillare verlässt, wird sie sofort auf dem ZnSe-Fenster fixiert. Abbildung 5 zeigt schematisch den Aufbau einer solchen Kopplung.
Bei dieser Technik hat man u. a. den Vorteil, dass nach dem Lauf zusätzlich nochmals IR-Spektren mit einer größeren Anzahl von Scans aufgenommen werden können.
Anwendung
Beim Vergleich zahlreicher IR-Spektren zeigte sich, dass bestimmte funktionelle Gruppen (z. B. C=O, =CH2, −C=C−, C−Cl, C≡N usw.) immer wieder (auch wenn sie in ganz verschiedenen Verbindungen vorkommen) an der gleichen oder annähernd gleichen Stelle des IR-Spektrums gleiche Absorptionen aufweisen. So zeigen z. B. die Carbonyl-Gruppen-haltigen Aldehyde, Ketone, Ester und Carbonsäuren alle bei einer Wellenzahl von 1700 cm−1 (≈ 6 μm) starke Absorption. Wenn also bei einer chemisch reinen, in ihrer Struktur noch unbekannten organischen Verbindung das IR-Spektrum im Bereiche um 1700 cm−1 starke Absorption zeigt, darf man annehmen, dass in der Verbindung ein Aldehyd, Keton, Ester oder eine organische Säure vorliegt. Entsprechendes gilt für alle übrigen, in der obigen Tabelle aufgeführten Gruppen. Die IR-Spektroskopie ist somit ein wichtiges Hilfsmittel sowohl bei der Konstitutionsermittlung von organischen Verbindungen als auch bei der Identifizierung und Reinheitsprüfung, wozu sich der Vergleich mit bekannten IR-Spektrensammlungen anbietet. Erleichtert wird dieser Vergleich durch Rechner, die Softwarepakete mit wirkungsvollen Such- und Bibliotheksfunktionen enthalten. Sie gestatten auch den Aufbau eigener Spektrenbibliotheken. Quantitative Analysen über Eichkuren sind ebenso möglich wie qualitative Analysen durch Spektrenvergleich und Spektrensubtraktion. Bei chemischen Umsetzungen kann man durch IR-Messungen nicht isolierbare Zwischenprodukte nachweisen und so den Reaktionsverlauf aufklären. Auch Mischungen und Verunreinigungen lassen sich in geeigneten Fällen mit der IR-Spektroskopie erkennen. Die IR-Spektroskopie hat bei der Erforschung von Naturstoffen und Zwischenprodukten, bei der Betriebskontrolle von Gemischen und Reinchemikalien und allgemein bei der Routineanalyse so ausgezeichnete Dienste geleistet, dass sie aus dem heutigen Laboratorium nicht mehr wegzudenken ist.
Spezielle Anwendung findet die IR-Spektroskopie in der Gasanalyse, da die handlichen und zum Teil als Einstrahlgeräte eingesetzten Spektrometer, die meist eine sogenannte nichtdispersive IR-Spektroskopie (NDIR) benutzen, mehrere Gase nebeneinander quantitativ bestimmen können. Neben den Laborgasanalysen hat die Transmissions-Gasphasen-Spektroskopie Bedeutung gewonnen, bei der Charakterisierung von Luftverunreinigungen, bei Rauchgas- und Abgasmessungen von Verbrennungskraftmaschinen sowie bei der Beurteilung der Luftqualität an Arbeitsplätzen. Ein weiteres Einsatzgebiet für die IR-Spektroskopie stellt die Atemalkohol-Bestimmung dar.
FT-IR-Spektrometer enthalten anstatt eines Dispersionsmittels Interferometer. Demgegenüber benutzt die sogenannten Hadamard-Transform-Spektroskopie (HTS, Hadamard-Spektroskopie, nach J. S. Hadamard, einem französischen Mathematiker, 1865–1963) zwar einen Monochromator, macht die Dispersion jedoch wieder rückgängig[5]. Speziellen Anwendungen dient die IR-Spektroskopie im nahen (NIR-Spektroskopie) bzw. im fernen Infrarot (FIR-Spektroskopie); die erstere (13000–4000 cm−1 = 0,76–2,5 μm) erfasst die Oberschwingungen der Grundschwingungen, die in letzter Zeit stärker beachtete FIR-Spektroskopie (Messbereich: 200–20 cm−1 = 50–500 μm) weist Rotationsübergänge der Moleküle nach. Sie liefert ferner Informationen z. B. über Wasserstoff-Brückenbindungssysteme (intermolekulare Schwingungen) sowie über Verbindungen, die relativ schwere Atome enthalten (intramolekulare Valenz- und Deformationsschwingungen). Im elektromagnetischen Spektrum schließt sich an das FIR das Gebiet der Mikrowellen an (siehe Mikrowellenspektroskopie). In vielen Fällen ist die Raman-Spektroskopie eine notwendige Ergänzung zur IR-Spektroskopie.
Lebensmittelchemie
In der Lebensmittelanalytik findet die IR-Spektroskopie Anwendung in der qualitativen (Identität und Reinheit einer Substanz) und quantitativen Analyse sowie der Strukturaufklärung (z. B. Nachweis der Fetthärtung) sowie der industriellen Prozesskontrolle. Besondere Bedeutung für die Lebensmittelanalytik besitzt die IR-Spektroskopie im nahen Infrarot (siehe NIR-Spektroskopie).
Biochemie
Darüber hinaus wird die IR-Spektroskopie zur Konformationsaufklärung sowie zum Nachweis von Wechselwirkungen in Biomolekülen eingesetzt: Orientierung von Molekülen in Lipidmembranen und deren Phasenumwandlungen, Bestimmung der Anteile helicaler Strukturen in Proteinen, Struktur und molekulare Mechanismen von Membranproteinen, z. B. in der bakteriellen Photosynthese oder von Bakterien-Rhodopsin.
Biomaterialien
Die FT-IR-Spektroskopie ist eine weiterverbreitete, zerstörungsfreie Analysenmethode in der Biomaterialforschung. Sie wird in Kombination mit Röntgenbeugung (x-ray diffraction, XRD) und Raman-Spektroskopie genutzt, um die chemische Zusammensetzung von Oberflächen zu bestimmen. Die Ergebnisse der IR-Methode sind werkstoffspezifische Emissionsspektren, mit deren Hilfe die molekularen Bestandteile der Proben identifiziert werden können. Vorteile dieser Methode sind ein verbessertes Auflösungsvermögen, Schnelligkeit und Wellenzahlpräzision. Zum Beispiel ermöglicht die IR-Spektroskopie, zwischen den Knochenersatzmaterialien Hydroxylapatit, Tricalciumphosphat und Mischkeramiken zu unterscheiden. Zudem wird standardmäßig die FT-IR-Spektroskopie (in Kombination mit Röntgenbeugung) als Analysentechnik bei der Bestimmung der Bioaktivität verwendet. Unter der Bioaktivität von Knochenersatzmaterialien (siehe auch bioaktive Werkstoffe) versteht man die Interaktion von Ionen aus einer simulierten Körperflüssigkeit mit der Implantatoberfläche zur Bildung einer Apatitschicht.
Weitere mit der IR-spektroskopische Methoden sind die ATR-Infrarotspektroskopie, FEWS (faseroptische Evaneszenzwellen-Spektroskopie), SEIRAS (oberflächenverstärkte IR-Absorptionsspektroskopie) und IRRAS (Infrarot-Reflexions-Absorptions-Spektroskopie).
Literatur
[1] Otto, M., Analytische Chemie, 4. Aufl.; Wiley-VCH: Weinheim, (2011)
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[2] Pachler, K. G. R.; Matlok, F.; Gremlich, H. U., In Merck-FT-IR-Atlas, Merck, Hrsg.; Wiley-VCH: Weinheim, (1988)
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[4] Klemmer, G., Infrarot-Spektroskopie. Grundlagen, Anwendung, Methoden, Franckh: Stuttgart, (1969), S. 74
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[5] Treado, P. J.; Morris, M. D., Anal. Chem., (1989) 61, 723A
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Milosevic, M., Internal Reflection and ATR Spectroscopy; Chemical Analysis: A Series of Monographs on Analytical Chemistry and Its Applications; John Wiley: Hoboken, NJ, (2012)
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Stuart, B. H., Infrared Spectroscopy: Fundamentals and Applications; Analytical Techniques in the Sciences; John Wiley: Chichester, (2004)
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Übersetzungen:
E | IR spectroscopy |
F | spectroscopie I.R. |
I | spettroscopia infrarossa |
S | espectroscopia infrarroja |