Helium
(von griechisch helios = Sonne). Farbloses, einatomiges Gas aus der Gruppe der Edelgase. Natürliche Isotope: 3He (0,000138 %) und 4He (99,999862 %). Daneben sind noch sechs künstliche Isotope 5He bis 10He mit Halbwertszeiten zwischen 10–21 s und 0,806 s bekannt[1]; 10He (T1/2 = 2,7 ⋅ 10–21 s) hat mit seinen zwei Protonen und acht Neutronen den höchsten prozentualen Neutronengehalt aller sicher bekannten Kerne, 3He den höchsten prozentualen Protonengehalt außer dem 1H-Kern, dem Proton selbst.
Helium hat von allen Elementen die niedrigsten Schmelz- und Siedepunkte und ist in Wasser wenig löslich (siehe Tabelle).
Zu weiteren rechtlichen Regelungen und Schutzmaßnahmen siehe GESTIS-Link (Tabelle).
Eigenschaften
a) Flüssiges Helium
Beim verflüssigten Helium unterscheidet man zwei Zustände: Helium I und Helium II mit einem scharfen Umwandlungspunkt von 270,97 °C bei 5100 Pa (sogenannter λ-Punkt, siehe Abbildung und Lambda-Kurve), wobei Helium II die Tieftemperatur-Modifikation ist, die die interessanten Eigenschaften einer Supraflüssigkeit oder Quantenflüssigkeit zeigt.
Unter allen unzersetzt schmelzbaren Substanzen ist Helium die einzige, die keinen Tripelpunkt fest/flüssig/gasförmig, dafür aber zwei andere Tripelpunkte besitzt: Flüssiges Helium I/flüssiges Helium II/gasförmiges Helium und flüssiges Helium I/flüssiges Helium II/festes Helium.
Beim Isotop 3He (Sdp. −269,96 °C) hat man bei Temperaturen unterhalb 3 mK (siehe absoluter Nullpunkt) noch mindestens drei weitere, supraflüssige Phasen festgestellt.
Über die sich durch ihre Elektronenspins unterscheidenden Ortho- und Para-Isomeren des Heliums, siehe Ortho-Helium.
Helium bleibt als einzige Substanz bei Atmosphärendruck bis in die Nähe des absoluten Nullpunkts flüssig. Um festes Helium zu bekommen, muss man die Flüssigkeit einem Druck von etwa 30 ⋅ 105 Pa unterwerfen oder – bei 24 °C – einem Druck von ca. 1,17 ⋅ 1010 Pa.
b) Festes Helium
Wie flüssiges zeigt auch festes Helium ungewöhnliche Eigenschaften: Festes Helium ist der weichste Festkörper; bei geringen Druckschwankungen ändern sich bereits die Atomabstände im Kristallgitter, was zur Änderung der thermodynamischen Eigenschaften führt. Es ist das einzig bekannte Beispiel eines sogenannten Quantenfestkörpers, in dem die Atome selbst am absoluten Nullpunkt noch ihre Plätze tauschen. Zur Definition von Quantenfestkörpern und zu neueren Untersuchungen an festem Helium siehe Literatur[3,4].
4He existiert oberhalb 30 ⋅ 105 Pa als kristalliner Festkörper mit hexagonaler Struktur. In einem kleinen Temperatur- und Druckbereich (Temperaturen zwischen –271,85 und –271,35 °C; Drücke zwischen 26 ⋅ 105 und 31 ⋅ 105 Pa) weist 4He eine kubisch raumzentrierte Struktur auf.
Bei Drücken oberhalb 1,1 ⋅ 108 Pa nimmt 4He dann eine kubisch flächenzentrierte Struktur an. Bei etwa –213 °C beträgt der Schmelzdruck rund 1,0 ⋅ 109 Pa, bei Raumtemperatur ca. 1,15 ⋅ 1010 Pa. Man kann also den festen Zustand bei einer wesentlich höheren Temperatur noch stabil erhalten im Gegensatz zum flüssigen Zustand, dessen Existenz nach oben durch die kritische Temperatur von −267,95 °C begrenzt ist. Zur Entdeckung eines Phasenübergangs zum „suprafesten“ Helium, welches völlig reibungsfrei über eine glatte Oberfläche gleitet, siehe Literatur[5].
3He zeigt etwa den gleichen festen Bereich in seinem Phasendiagramm, nur dass der Temperatur-Druck-Bereich, oberhalb dessen 3He kubisch raumzentriert kristallisiert, wesentlich größer ist.
Als Edelgas ist Helium nullwertig, und es sind keine chemischen Verbindungen von ihm bekannt. Über Aspekte der Chemie des Heliums siehe Literatur[6].
In der Kerntechnik können Helium-Atome, die durch Wechselwirkung [(n,α)-Reaktion] zwischen Reaktorneutronen und Eisen entstehen, die Festigkeit von Stählen beeinträchtigen. Das Helium wandert vielfach an die Korngrenzen und agglomeriert dort zu Risskeimen. Es kommt zur so genannten „Hochtemperaturversprödung“, für die es keine Ausheilung gibt[7]. Dieser Helium-Versprödung sucht man z. B. durch Zulegieren von Titancarbid zu begegnen[8,9].
Nachweis
Der analytische Nachweis des Heliums erfolgt wie bei allen Edelgasen auf spektralanalytischem Weg oder massenspektrometrisch, siehe Edelgase (Analytik).
Vorkommen
Kleinere Mengen Helium finden sich in allen Uran-Mineralen (besonders im Cleveit, siehe Uranpecherz), wo es bei radioaktiven Zerfallsprozessen als Alphastrahlung entsteht. Hierauf beruht auch die Helium-Methode zur Altersbestimmung von Gesteinen.
Am häufigsten kommt Helium in Erdgasen vor, und zwar in Konzentrationen bis zu 7,5, teilweise sogar 16 Vol.-%. Die größten Vorkommen befinden sich in den USA (Texas, Kansas und Oklahoma), der ehemaligen UdSSR (Sibirien), Algerien und Kanada. In Europa kommt Helium in polnischem Erdgas in nennenswerter Konzentration vor (0,4 %), ferner im Nordseegas (bis 0,12 %). Helium findet sich auch in Thermalquellen (z. B. Wiesbaden, Wildbad).
Die atmosphärische Luft enthält in den unteren Schichten nur etwa 4,6 cm3/m3. Den Anteil an Helium in der obersten, 16 km dicken Erdkruste, einschließlich der Weltmeere und Atmosphäre, schätzt man auf 4,2 ⋅ 10−7% [siehe Edelgase (Tabelle 3)]. Helium ist somit seltener als Gold, Silber und Platin. Seine Masse befindet sich im stationären Gleichgewicht zwischen dem leichten, in den Weltraum entweichenden Gas einerseits und dem aus radioaktiven Mineralen und dem Sonnenwind nachgelieferten andererseits.
In der Sonne und den Fixsternen kann man Helium spektroskopisch nachweisen. Dort entsteht es durch die sogenannte Proton-Proton-Reaktion oder durch die Vereinigung von jeweils vier Wasserstoff-Atomen in einer atomaren Kettenreaktion, wobei der damit verbundene Massendefekt die Quelle für die Sonnenenergie bildet, vergleiche auch Kernfusion. Von der Gesamtzahl der Atome, aus denen die Sonne besteht, sind ca. 8 % Helium-Atome und nur ca. 0,2 % Atome schwerer Elemente (hauptsächlich Sauerstoff- und Kohlenstoff-Atome). Wasserstoff-Atome sind auf der Sonne mit ca. 92 %, im gesamten Universum sogar mit ca. 93 % Hauptbestandteil; Helium ist das zweithäufigste Element.
Herstellung
Helium wird – besonders in den USA – aus Helium-haltigen Erdgasen gewonnen. Dies erfolgt (nach Vorreinigen des Erdgases, wobei Bestandteile entfernt werden, die beim Abkühlen gefrieren würden, z. B. Schwefelwasserstoff, Kohlendioxid, Wasser) durch Abkühlen des Gases unter partieller Kondensation der schweren Fraktionen, Fraktionierung der Rohkondensate sowie Grob- und Feinreinigung des Heliums. Ein Teil der Produktion wird als etwa 70 %iges Roh-Helium in ausgebeuteten Erdgaslagerstätten für zukünftigen Bedarf gespeichert. Eine ausführliche Darstellung der Technik zur Gewinnung von Helium in den USA findet man in Literatur[10].
Die Gewinnung von Helium aus der Luft durch Luftverflüssigung und -zerlegung wird nur in erdgasarmen Gebieten wie in Deutschland betrieben. Auch aus dem Purgegas, mit dem Inertgase aus dem Kreislauf von Syntheseprozessen ausgeschleust werden, z. B. dem Restgas der Ammoniak-Synthese, gewinnt man Helium.
Das stark komprimierte, etwa 99 %ige Helium kommt in Stahlflaschen und verflüssigt in Tankcontainern in den Handel. Tanks für flüssiges Helium sind durch Superisolierung geschützt; die Flüssigkeit befindet sich in einem Innenbehälter, der von einem Strahlungsschild aus Kupfer umgeben ist. Dieser wird von flüssigem Stickstoff gekühlt oder von kaltem Helium-Gas, das durch Teilverdampfung der Flüssigkeit infolge Wärmeaufnahme aus der Umgebung entsteht.
Präparativ kann Helium – in allerdings unergiebiger Weise – erhalten werden, durch Erhitzen von Helium-haltigen Mineralen [Cleveit (siehe Uranpecherz), Monazit, Thorianit] auf etwa 1200 °C im einseitig geschlossenen Porzellanrohr, wobei man den beigemengten Wasserstoff durch glühendes Kupferoxid, das Kohlendioxid mit Hilfe von Ätzkali, den Stickstoff mit einem hocherhitzten Gemisch aus Calciumoxid, Magnesium und Natrium und das Argon mit entgaster Aktivkohle entfernt.
3He lässt sich aus natürlichem Helium mit Verfahren zur Isotopentrennung anreichern und gegebenenfalls rein gewinnen, z. B. durch Thermodiffusion in Trennrohrkaskaden oder durch mehrmalig wiederholtes Zentrifugieren des auf –263 °C abgekühlten Rohgases.
Heute wird 3He durch die folgende Kernreaktion in Litermengen erzeugt:
Bei Versuchen zur Kernfusion von Deuterium und Tritium entsteht Helium, dessen Entfernung aus dem brennenden Plasma eines der ungelösten Probleme der Fusionstechnologie darstellt[11].
Verwendung
Bei der Metallbearbeitung (z. B. Schweißen von Aluminium, Magnesium, Titan, Molybdän, rostfreiem Stahl) und in der Pulvermetallurgie dient Helium (oder das billigere Argon) als Schutzgas zur Vermeidung von Oxid- und Nitrid-Bildung (vergleiche zum Beispiel Heliarc-Verfahren). Als Schutzgas wird Helium auch bei der Fertigung von Halbleitern und elektronischen Bauelementen verwendet.
In der Kältetechnik dient flüssiges Helium zur Erzeugung tiefster Temperaturen; da der Siedepunkt von 3He noch niedriger liegt als der des natürlichen Isotopengemischs, lassen sich mit seiner Hilfe Temperaturen erreichen, die nur noch wenige tausendstel Grad vom absoluten Nullpunkt entfernt sind. In Supraleitfähigkeitsanlagen dürfte Helium bei Kommerzialisierung der in jüngerer Zeit aufgefundenen Hochtemperatur-Supraleiter an Bedeutung verlieren.
In Kernkraftwerken mit Hochtemperaturreaktoren wurde Helium als Kühlgas benutzt, siehe Kernreaktoren. In der Spirometrie (siehe Spirometer) setzt man Helium-Sauerstoff-Gemische zur Bestimmung des Residualvolumens ein, Asthmatiker können wegen der geringeren Viskosität des Heliums durch ein Gemisch aus 20 % Sauerstoff und 80 % Helium besser mit Sauerstoff versorgt werden als bei Anwendung von Luft. Atemgasgemische mit Helium werden wegen der narkotisierenden Wirkung von Stickstoff bei erhöhtem Druck auch beim Tieftauchen und bei Caissonarbeiten verwendet. Beträchtliche Mengen Helium verbraucht die Raumfahrt als Kompensationsfüllgas für Raketen-Treibstofftanks.
Die im Ersten Weltkrieg von Ramsay vorgeschlagene Traggasfüllung von Luftschiffen und Ballons mit unbrennbarem Helium anstelle des explosiven Wasserstoffs ist heute weniger bedeutsam. Neuere Versuche, Helium-Ballons für den Überlandtransport sperriger Anlagenteile einzusetzen, sind an den Kosten und Risiken der Methode (z. B. Abhängigkeit von Wind und Wetter) gescheitert.
In der Vakuumtechnik wird Helium in Lecksuchgeräten verwendet, und in der Gaschromatographie ist Helium das am meisten verwendete Trägergas.
Weitere Verwendungsmöglichkeiten sind unter anderem der Einsatz von Helium zur Füllung von Präzisionsgasthermometern, zur Schalldämmung in Doppelfenstern, zur Kühlung in Masern (z. B. in Nachrichtensatelliten), in Lasern. In der Glimmentladung gibt Helium goldgelbes Licht.
Von 130 Mio. m3 Helium, die von der nach einem Gesetzesbeschluss von 1996 privatisierten Helium-Industrie 2004 in den USA produziert wurden, gingen 44,9 Mio. m3 in den Export. Vom Inlandsverbrauch 2004 entfielen 28 % auf Kältetechnik, 20 % auf Schutzgasschweißen, 26 % auf Gasspülungen, 4 % auf Lecksuche und 22 % auf andere Anwendungen wie Forschungszwecke, Atemgase, Windkanal, Wärmeübertragung, Ballongas etc. Schätzungsweise 17 Mio. m3 Helium wurden 2005 in Algerien gewonnen, 6 Mio. m3 in Russland und 3 Mio. m3 in Polen; Zahlen aus Katar liegen noch nicht vor, weitere Herstellerländer sind nicht bekannt. Das am 31.12.2004 im weiterhin staatlich organisierten Speichersystem des US-amerikanischen BLM (Bureau of Land Management) gespeicherte Helium-Volumen betrug 788 Mio. m3. Am 01.01.2003 wurden die Helium-Vorkommen in den USA auf 8,5 Mrd. m3 geschätzt, die der restlichen Welt auf 31,1 Mrd. m3 (Katar 10, Algerien 8, Russland 7, Kanada 2 und China 1 Mrd. m3). Für diese und weitere Informationen siehe das Minerals Yearbook (Stand: 2004) und die Mineral Commodity Summaries (Stand: 2006) der U.S. Geological Survey (USGS)[12].
Geschichte
Helium wurde als Sonnenbestandteil entdeckt (Pierre Jules César Janssen und Joseph Norman Lockyer 1868, bei spektralanalytischen Untersuchungen der Sonnenprotuberanzen), aber erst Sir William Ramsay vermochte das Helium in größeren Mengen aus dem Mineral Cleveit (worin es etwa gleichzeitig und unabhängig von ihm auch die schwedischen Chemiker Cleve und Langlet nachwiesen) rein herzustellen (1895). Später wurde Helium von Kayser auch in der Luft nachgewiesen. Im Jahr 1908 wurde es von Heike Kamerlingh Onnes in Leiden erstmals verflüssigt.
Literatur
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Übersetzungen:
E | helium |
F | hélium |
I | elio |
S | helio |