Glycerol
Zur Gruppe der Polyole gehörende Verbindung.
Eigenschaften
56-81-5 (GESTIS) | |
farblose, klare, schwerbewegliche, geruchlose, süß schmeckende, hygroskopische Flüssigkeit | |
– AGW [mg/m3] | |
LD50 [mg/kg] | |
NOEL [mg/kg] |
Zu sonstigen Vorschriften siehe GESTIS-Link (Tabelle).
Glycerol ist mit Wasser und Alkohol in jedem Verhältnis mischbar, dagegen wenig löslich in Ether, unlöslich in Benzin, Benzol, Petrolether, Trichlormethan und fetten Ölen.
Vorkommen
Glycerol ist in den tierischen und pflanzlichen Fetten und Ölen außerordentlich verbreitet; alle diese Stoffe sind aus Fettsäuren abgeleitete, gemischte Acylglycerole. Aus Kokosnussöl erhält man z. B. 17 %, aus Palmöl 11 %, aus Talg 10 %, aus Sojaöl 10 % und aus Fischöl 9 % Glycerol.
Kleine Mengen von freiem Glycerol entstehen auch als Zwischenprodukt bei der alkoholischen Gärung von Zucker-haltigen Lösungen; daher enthält auch der Wein kleinere Mengen Glycerol (6–8 g/L). Der Gehalt im Most liegt bei 1 g/L; bei mit Botrytis cinerea (Edelfäule) befallenem Lesegut bei 3–14 g/L. Des Weiteren kommt Glycerol in den Lecithinen, Phospholipiden, Teichonsäuren und einigen Glycolipiden (Glycosyldiacylglycerole) gebunden vor.
In die Berechnung des physiologischen Brennwertes geht Glycerol mit 17 kJ (4 kcal) pro Gramm ein. Hornissen überleben tiefe Temperaturen von −14 °C, arktische Laufkäfer gar noch –85 °C, weil ihr Blut Glycerol als „Gefrierschutzmittel“ enthält, siehe Literatur[1,2].
Analytik
Beim Erhitzen mit Kaliumhydrogensulfat entsteht unter Dunkelfärbung das stechend riechende Acrolein; zur quantitativen Bestimmung eignet sich die Oxidation mit Periodat. Eine enzymatische Analyse ist mit Hilfe der Glycerol-Dehydrogenase möglich.
Herstellung
Glycerol war ursprünglich nur ein Nebenprodukt der Fettverseifung. Als in den vierziger Jahren besonders in den USA die synthetischen Waschmittel vordrangen, wurde die Seifenherstellung auf Fettsäure-Basis eingeschränkt und Glycerol stand bei gleichzeitig steigendem Bedarf nicht mehr ausreichend zur Verfügung. In dieser Zeit wurden die ersten Syntheseverfahren für Glycerol entwickelt.
Die meisten technischen Verfahren gehen von Propen aus, das über die Zwischenstufen Allylchlorid, Epichlorhydrin zu Glycerol verarbeitet wird. Ein weiteres technisches Verfahren ist die Hydroxylierung von Allylalkohol mit Wasserstoffperoxid am WO3-Kontakt über die Stufe des Glycidols; Näheres zur Synthese siehe Literatur[3,4]. Inzwischen ist aber in einigen Ländern das Maximum der Glycerol-Produktion auf petrochemischer Basis schon durchlaufen[5].
Toxikologie
Der Kontakt mit der unverdünnten Flüssigkeit kann zu leichten Reizungen der Haut führen. Aufnahmen von bis zu 50 mL Glycerol gelten als harmlos. Erst bei Aufnahme großer Mengen kommt es zu Beschwerden wie Rauschzuständen und Kopfschmerzen[6,7]. Eine Evaluierung von Glycerol als Aromastoff durch das JECFA-Komitee der WHO ist noch nicht abgeschlossen[8].
Verwendung
Glycerol dient heute nur noch zu ca. 4 % zur Synthese von Glyceroltrinitrat (Nitroglycerin), hauptsächlich jedoch zur Herstellung von Kunststoffen wie Alkydharzen, Polyurethan-Schäumen usw., als Druckübertragungsmittel, Feuchthaltemittel, Beschlagverhinderungsmittel und Gefrierschutzmittel etc. Kleinere Mengen benötigt man als Heizflüssigkeit und Kühlflüssigkeit, zur Füllung von Gasmessuhren, für die Synthese von Farbstoffen (z. B. Alizarinblau) und Pharmazeutika, als Weichmacher bei der Fabrikation von Kautschukwaren (Reifen), bei der Herstellung von Kitten (z. B. mit Bleioxid), Schmiermitteln und Abdichtungsmitteln, zur Fettsynthese, als Lösemittel, Aufhellungsmittel und Konservierungsmittel bei mikroskopischen Reagenzien, zur Extraktion von Blütenduftstoffen sowie in der Pharmazie und Medizin. Glycerol ist ein gutes Lösemittel für viele organische und auch anorganische Stoffe, so z. B. für Salze (Soda, Borax, Zinkchlorid, Kaliumiodid, Kupfersulfat), Hydroxide der Alkalimetalle und Erdalkalimetalle, Alkaloide usw.
Verwendung in der Lebensmittelindustrie: Glycerol wird einerseits als Trägerlösemittel für Antioxidantien, Aromastoffe, Enzyme und Lebensmittelfarbstoffe verwendet; andererseits als Feuchthaltemittel (Marzipanerzeugnisse) oder Stabilisator. Angewendet wird es u. a. in Gelatineüberzügen für Fleischerzeugnisse, essbare Kunstdärme und Kaugummi. Glycerol findet auch Verwendung als Schmiermittel und Dichtmittel für lebensmittelverarbeitende Maschinen. Weiter wird Glycerol in der Tabakverarbeitung (Feuchthaltemittel für Tabakerzeugnisse) und in der Kosmetikindustrie (z. B. Cremes, Zahnpasten) verwendet.
Recht
Zulassung: Begrenzt zugelassener Zusatzstoff. ZZulV 1998 Anlage 4 (zu § 5 Abs. 1 und § 7) Teil A (Zusatzstoffe, die für Lebensmittel allgemein, ausgenommen bestimmte Lebensmittel, zugelassen sind) und Teil C (Lebensmittel, für die nur bestimmte Zusatzstoffe zugelassen sind)
Reinheitsanforderungen: Für technologische Zwecke zugelassener Zusatzstoff. ZVerkV 1998 Anlage 2 (zu § 3 Abs. 1) Liste B, Reinheitsanforderungen nach Verordnung (EU) 231/2012[9]. ZVerkV 1998 Anlage 4 (zu § 4) Trägerstoffe und Trägerlösemittel für Lebensmittelzusatzstoffe.
Weitere rechtliche Regelungen: Olivenölmerkmale-Verordnung 2568/91/EWG, Anhang VII. Aromenverordnung Anlage 5 (zu § 3).
Bedarfsgegenständeverordnung Anlage 2 (Teil A: Zellglasfolie ohne Lackbeschichtung). Kosmetik-Verordnung. Futtermittelverordnung Anlage 2a und Anlage 3 Nr. 5 (Zusatzstoffe).
Geschichte
Glycerol wurde 1779 von Carl Wilhelm Scheele bei der Verseifung von Olivenöl mit Bleioxid entdeckt. Michel-Eugène Chevreul zeigte 1813, dass die Fette Glycerolester von Fettsäuren darstellen und gab dem Glycerol 1823 seinen Namen von griechisch glykys=süß.
Literatur
- Suche in: Google Scholar
[2] Chem. Unserer Zeit 12, 100 (1978)
Suche in: Google Scholar
[3] Morrison, L. R., Glycerol, In Kirk-Othmer Encyclopedia of Chemical Technology [Online], John Wiley and Sons: New York, NY, (2000); https://doi.org/10.1002/0471238961.0712250313151818.a01 [Prüfdatum 04.02.2019]
[4] Arpe, H.-J., Industrielle Organische Chemie, 6. Aufl.; Wiley-VCH: Weinheim, (2007), S. 332 ff.
Suche in: Google Scholar
[5] Christoph, R.; Schmidt, B.; Steinberner, U.; Dilla, W.; Karinen, R., Glycerol, In Ullmann's Encyclopedia of Industrial Chemistry [Online], Wiley-VCH: Weinheim, (2006); https://doi.org/10.1002/14356007.a12_477.pub2 [Prüfdatum 04.02.2019]
[6] Moeschlin, S., Klinik und Therapie der Vergiftungen, 7. Aufl.; Thieme: Stuttgart, (1986), S. 331
Suche in: Google Scholar
[7] Wirth, W.; Gloxhuber, C., Toxikologie, 5. Aufl.; Thieme: Stuttgart, (1994)
Suche in: Google Scholar
[8] WHO, Hrsg., Safety Evaluation of Certain Food Additives and Contaminants; WHO Food Additives Series 48; WHO: Genf, (2002)
Suche in: Google Scholar
[9] Verordnung (EU) Nr. 231/2012 der Kommission vom 09.03.2012 mit Spezifikationen für die in den Anhängen II und III der Verordnung (EG) Nr. 1333/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates aufgeführten Lebensmittelzusatzstoffe (Amtsblatt der EU Nr. L 83, S. 1–295); https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/ALL/?uri=CELEX:32012R0231 [Prüfdatum 04.02.2019]
Fat Sci. Technol. 89, 297 (1987)
Suche in: Google Scholar
Jakob, L., Lexikon der Önologie, 3. Aufl.; Meininger: Neustadt an der Weinstraße, (1995)
Suche in: Google Scholar
Merck-Index (15.), Nr. 4520
Suche in: Google Scholar
WHO, Hrsg., Evaluation of Certain Food Additives; Technical Report Series 599; WHO: Genf, (1976)
Suche in: Google Scholar
Würdig, G.; Woller, R., Chemie des Weines, Ulmer: Stuttgart, (1989), S. 62 f., 221 ff.
Suche in: Google Scholar
Übersetzungen:
E | glycerol |
F | glycérol, glycérine |
I | glicerina |
S | glicerol, glicerina |