Eisen
(von gotisch isarn = festes Metall, im Gegensatz zur weichen Bronze; chem. Symbol Fe von lateinisch ferrum). Ordnungszahl 26, Metall. Element, Mr 55,847. Natürliche Isotope (Häufigkeit in Klammern): 56 (91,66 %), 54 (5,82 %), 57 (2,19 %), 58 (0,33 %). Daneben kennt man künstliche radioaktive Isotope zwischen 52 und 61 mit HWZ von 6,0 min bis 3 ⋅ 105 a, von denen das Isotop 59 als Radioindikator (Betastrahler) in der klin. Chemie Bedeutung erlangt hat.
Eigenschaften
Eisen steht in der 8. Nebengruppe und der 4. Periode des Periodensystems; es bildet mit den nah verwandten Elementen Cobalt und Nickel die sog. Eisen-Gruppe. Wertigkeit –2, –1, 0, +1, +2, +3, seltener auch +4, +5 und +6. Die Verb. des Fe(II) (ältere Bez.: Ferro-Verb.) sind Reduktionsmittel, die Eisen(III)-Verb. (früher Ferri-Verb. genannt) sind milde Oxidationsmittel[1]. Auf dem Wertigkeitswechsel beruht auch die Rolle des Eisen in als Redoxenzyme wirkenden Eisen-Proteinen.
Metall. Eisen ist silberweiß, Dichte 7,874 (Schwermetall), Schmp. 1539 °C, Sdp. 2880 °C; spezif. Wärme (zwischen 18 und 100 °C) etwa 0,5 g−1 K−1, Zugfestigkeit 220–280 N/mm2. Die Werte gelten für das chem. reine Eisen, das erst 1938 im spektralen Reinheitsgrad hergestellt wurde.
Das techn. Eisen ist im wesentlichen eine Leg. des Eisen mit Kohlenstoff. Nach Gmelin-Durrer unterscheidet man zwischen nicht schmiedbarem Roheisen (wegen seines hohen Kohlenstoff-Gehalts) und schmiedbarem Stahl (Kohlenstoff-Gehalt bis 2,1 %). Über die Zusammensetzung und die Umwandlungstemp. der verschiedenen Legierungsphasen gibt das Eisen-Kohlenstoff-Zustandsdiagramm Auskunft, vergleiche Stahl und Eisen-Kohlenstoff-System. Werden Eisenstücke und Stahlstücke mit immer feinerem Schmirgel geschliffen und poliert, sodann mit Säure angeätzt und bei 100–2000facher Vergrößerung beobachtet, so sieht man ein Gefüge aus vielen mehr oder weniger kleinen, gleichartigen oder verschiedenartigen Kristalliten, unter denen man je nach Temp.-Bereich und Zusammensetzung folgende, meist in Einzelstichwörtern behandelte Typen unterscheiden kann: Ferrit, Graphit, Cementit (siehe Eisencarbid), Austenit, Martensit, Perlit, Ledeburit u.dgl. Neben Kohlenstoff enthalten die im täglichen Leben verwendeten Eisensorten und Stahlsorten als weitere Legierungsbestandteile mehr oder weniger Silicium, Mangan, Schwefel, Phosphor; bei den legierten Edelstählen werden die techn. Eigenschaften von Eisen außerdem noch durch bes. Zusätze von Aluminium, Chrom, Mangan, Molybdän, Nickel, Tantal, Titan, Vanadium, Silicium, Cobalt, Niob, Wolfram usw. verbessert; die Zulegierung dieser Metalle nimmt man oft mit sog. Ferrolegierungen vor. Es gibt kein zweites Metall, das seine Eigenschaften durch Legierungsmaßnahmen und/oder durch Wärmebehandlung (vergleiche Anlassen, Tempern, Vergüten), durch Härtung (Aufkohlung, Nitrierhärtung) in solch außerordentlichem Umfang verändert wie Eisen. So kann man z. B. Stähle mit Zugfestigkeiten von 280–3600 N/mm2, mit Härten von 80–1200 Brinellgraden, mit elektr. Leitfähigkeiten von 0,7–12,5 Einheiten, mit einer magnet. Sättigung von 0–2,4 Tesla (0–24000 Gauß) usw. herstellen. Eisenpulver kann auch zu Sintermetall verarbeitet werden. Die Zahl der laboratoriumsmäßig und techn. gewonnenen Eisensorten und Stahlsorten beträgt ca. 1800[2].
Modifikationen
Eisen kommt in mehreren allotropen Modifikationen vor, nämlich:
1. α-Fe (Ferrit), bildet raumzentrierte Würfelgitter, ist magnetisierbar, löst wenig Kohlenstoff, kommt in reinem Eisen bis 928 °C vor. Bei 770 °C (Curie-Temperatur) verliert es seine ferromagnet. Eigenschaften und wird paramagnet.; Eisen im Temp.-Bereich 770–928 °C wird auch als β-Fe bezeichnet. Bei gewöhnlicher Temp. und einem Druck von mind. 13000 MPa geht α-Fe in sog. ε-Fe unter einer Vol.-Verminderung von ca. 0,20 cm3/mol über, wobei sich die Dichte von 7,85 bis auf 9,1 (bei 20000 MPa) erhöht.
2. γ-Fe (vergleiche Austenit), bildet flächenzentrierte Würfelgitter, ist unmagnet., löst viel Kohlenstoff, ist nur im Temp.-Bereich 928–1398 °C zu beobachten.
3. δ-Fe, raumzentriert, existiert zwischen 1398 °C und dem Schmp. 1539 °C.
Reaktionen
Eisen und die gewöhnlichen techn. Eisen-Sorten werden an feuchter Luft und in Sauerstoff- und Kohlendioxid-haltigem Wasser verhältnismäßig leicht oxidiert (Rosten) unter Bildung von Eisenoxidhydrat, vergleiche auch Korrosion und Korrosionsschutz. Beim Erhitzen an trockner Luft (Anlassen) entsteht eine farbige, sehr dünne Schicht von Fe3O4 (Eisenhammerschlag). Feinst verteiltes Eisen entzündet sich bei Berührung mit Luftsauerstoff oft von selbst (pyrophores Eisen). Leitet man heißen Wasserdampf über glühendes Eisen-Pulver, so wird dieses unter Bildung von Eisenoxid und Wasserstoff allmählich zersetzt (3Fe + 4H2O → Fe3O4 + 4H2). Aus brennender Stahlwolle entstehen in feuchtem Chlor-Gas lebhaft braune Dämpfe von Eisenchlorid. Beim Erhitzen von Gemischen aus Eisen-Pulver und Schwefel-Pulver (7:4 Gew.-Tl.) erhält man unreines Eisen(II)-sulfid. Da Eisen in der Spannungsreihe vor dem Wasserstoff steht, wird es von Säuren leicht angegriffen; so löst sich Eisen in Salzsäure unter Wasserstoff-Entwicklung (Fe + 2HCl → FeCl2 + H2). Das dabei entstehende Eisen(II)-Ion wird durch Luftsauerstoff zu Fe(III) oxidiert und kann auch zur Red. aromat. Nitro-Verb. verwendet werden (siehe Béchamp-Reduktion). Mit verd. Schwefelsäure erhält man grünes Eisen(II)-sulfat und Wasserstoff. Konz. Schwefelsäure greift Eisen nicht an, deshalb kann man diese Säure in Stahltanks befördern. Verd. Salpetersäure löst Eisen unter Entwicklung brauner, giftiger Dämpfe (Stickstoffdioxid) zu Eisennitrat; dagegen ist beim Eintauchen in rauchende Salpetersäure Passivität zu beobachten. Auch trockenes Chlor greift Eisen bei normaler Temp. nicht an; erst bei hohen Temp. bildet sich wasserfreies Eisen(III)-chlorid.
Vorkommen
Eisen ist wahrscheinlich das häufigste Element unseres Erdballs und das Isotop 56Fe die verbreitetste Atomsorte der Erde. Während die obersten 16 km der festen Erdkruste nachweisbar zu nur etwa 5 % aus Eisen bestehen, wird der Eisen-Anteil beim ganzen Erdball (infolge des Eisen-reichen Erdkerns) auf 37 % geschätzt (vergleiche Geochemie). Daß Eisen auch beim Aufbau der übrigen Himmelskörper in starkem Maße beteiligt ist, geht aus den Meteoriten hervor, von denen etwa die Hälfte vorwiegend aus Eisen (rund 90 % Fe, 8–9 % Ni, 0,5 % Co, Spuren von Cu, Cr, C, S, P usw.) bestehen. Mit Hilfe der Spektralanalyse hat man Eisen-Dämpfe auf der Sonne und vielen Fixsternen feststellen können, und aufgrund der Messungen von Marssonden weiß man, daß auch dieser Planet einen (allerdings erstarrten) Eisen-Kern besitzt. Auf der Erde enthält das hauptsächlich aus Granit bestehende Grundgebirge etwa 2,5 % Eisen in Form von Verb.; dieses wandert bei der Verwitterung in die meist aus Kalk, Sandstein und Ton bestehenden Sedimentgesteine. Sandsteine sind durch Eisen-Verb. vielfach rot (Buntsandstein), Tone, Lehme, Kalke und Mergel rötlich, bräunlich, bläulich oder gelblich gefärbt. Da Eisen zu den unedlen Metallen gehört, kommt es in der Natur fast nie gediegen, sondern überwiegend in Verb. vor, und zwar handelt es sich dabei (in den zugänglichen Teilen der Erdkruste) meist um wasserhaltige oder wasserfreie Oxide, weniger häufig um Sulfide, Carbonate und dgl. Während der ganzen Erdgeschichte haben sich immer wieder Eisen-Verb. an einzelnen Stellen in höheren Konz. angereichert. Wenn Gesteine etwa 20 und mehr Prozent Eisen enthalten, werden sie als Eisenerze bezeichnet. Die wichtigsten Bestandteile der verschiedenen Eisenerze sind die Eisenminerale Magnetit, Hämatit, wasserhaltiger Hämatit in Form von Goethit, Brauneisenerz (Limonit), Siderit (Eisenspat) und der sehr verbreitete, erst nach Röstung verarbeitbare Pyrit. Die Weltreserven wurden 1994 auf 800 Mrd. t Erz mit einem Eisen-Gehalt von 230 Mrd. t geschätzt, davon sind jedoch nur 160 Mrd. t Erz (70 Mrd. t Eisen) wirtschaftlich gewinnbar. Die nachgewiesenen Eisen-Vorräte in Deutschland belaufen sich auf 3,6 Mrd. t Erz mit einem mittleren Eisen-Gehalt von 32 %. Bis in die 30er Jahre des 20. Jahrhunderts war das Siegerland das bedeutendste Eisenerz-Revier in Deutschland; danach verlagerte sich der Gewinnungsschwerpunkt in den Raum Peine-Salzgitter. Die guten Roherze von Salzgitter enthielten 31–35 % Eisen, 20–24 % Kieselsäure, 4–6 % Kalk, 0,2 % Mangan, 0,2 % Schwefel. Die dtsch. Eisenerz-Förderung erreichte 1961 ihren Höchststand von fast 19 Mio. t Roherz (5,0 Mio. t Eisen-Inhalt); sie wurde von etwa 40 Grubenbetrieben erbracht. Infolge der starken Konkurrenz hochwertiger und billiger Auslandserze wurden 1981 nur noch 1,6 Mio. t heim. Erz von 4 Grubenbetrieben gefördert. 1995 wurden in der einzigen noch fördernden Eisenerzgrube von Deutschland (Grube Wohlverwahrt-Nammen in Porta Westfalica) 68720 t Eisenerz abgebaut, welche im Straßenbau als hochwertige Splitte, bei der Beton-Herst. als Ersatz für Farbpigmente sowie im Gartenbau und Landschaftsbau Verw. fanden. In der ersten Hälfte der 90er Jahre wurden in Deutschland nur noch importierte Erze verhüttet.
Eisen ist in Umweltmedien in folgenden mittleren Konz. vorhanden: Luft 0,03–1,2 µg/m3; Meerwasser >0,4–3 µg/L; Flußwasser 0,67 mg/L; Grundwasser <0,5–100 mg/L; Trinkwasser max. 0,3 mg/L (siehe auch Enteisenung). Auch in den Abwässern der metallverarbeitenden Ind., insbesondere der Beizereien und der Titandioxid-Produktion, ist Eisen vorhanden.
Lebensmittel: Die Eisen-Gehalte verschiedener Lebensmittel pflanzlicher und tierischer Herkunft sind in der Tabelle zusammengefaßt; für weitere Angaben siehe Literatur[3].
Aufgrund der Verzehrmenge, Häufigkeit des Verzehrs und Eisen-Gehalt sind Brot (21 %), Fleisch (16 %), Wurstwaren (11 %) und Gemüse (9 %) die wichtigsten Quellen der Eisen-Zufuhr[4].
Herstellung
Eisen wird durch Red. von Eisenoxid mit Wasserstoff bei niedriger Temp. als chem. reines Pulver, durch therm. Zers. von Eisenpentacarbonyl gemäß Fe(CO)5 → Fe + 5CO bei 150–250 °C als sehr reines Pulver – Carbonyleisen – oder durch Elektrolyse von Eisen(II)-chlorid-Lsg. oder Eisen(II)-sulfat-Lsg. mit unlösl. Graphit- oder lösl. Anode aus Eisenblech oder Gußeisen erhalten. Durch Abscheidung aus schwefelsaurer Eisen(II)-sulfat-Lsg. an Quecksilber-Kathoden und anschließende Raffination läßt sich 99,99 %iges Eisen gewinnen. Großtechn. wird Eisen durch Verhüttung von Eisenerzen, Eisenschlacken, Kiesabbränden, Gichtstaub und durch Umschmelzen von Schrott und Leg. hergestellt. Im Hochofenprozeß erhält man durch Red. der Erze mit Koks sog. Roheisen, das noch flüssig in den bis 6000 t fassenden Roheisen-Mischer kommt, damit sich die qual. Differenzen der verschiedenen Eisen-Abstiche ausgleichen; moderne Hochöfen liefern täglich mehr als 10000 t Roheisen. Ein kleiner Teil des Roheisens (enthält noch 2–4 % Kohlenstoff, ferner Silicium, Phosphor, Schwefel und Mangan) wird zu Gußeisen verarbeitet, der weitaus größte (~90 %) jedoch zu Stahl, wobei verschiedene Frischverfahren wie Thomas-, Bessemer- und Siemens-Martin-Verfahren (alle drei nur noch selten), Sauerstoff-Aufblas-Verfahren, Elektrostahl-Verfahren zur Anw. kommen (siehe Stahl). Eine der ältesten Entkohlungsmeth. war das sog. Puddel-Verfahren. Die Weiterverarbeitung muß nicht am gleichen Ort wie die Gewinnung des Roheisens stattfinden: Mit speziell entwickelten, 100–200 t fassenden Eisenbahn-Transportbehältern läßt sich 1400 °C heißes Eisen über längere Strecken transportieren (z. B. Bochum-Rheinhausen, ca. 40 km, ca. 1 h Fahrzeit, Temperaturabfall ca. 5 °C).
Zunehmende Bedeutung gewinnen die ohne Hochöfen arbeitenden Verf. der Direktreduktion der Eisenerze unterhalb der Schmelztemp. der Rohstoffe (900–1100 °C), bei denen sog. Eisenschwamm anfällt, und der Schmelzreduktion[5]. Die wichigsten dieser Verf., bei denen – in Retorten, Schachtöfen oder Drehrohröfen oder in der Wirbelschicht – die Red. mit Gasen (Erdgas, Erdöl-Produkte, Wasserstoff/Kohlenoxid) oder minderwertigen Kohlen (auch Braunkohlen) vorgenommen wird, sind u. a. das Purofer-Verfahren, HyL-Verfahren, SL/RN-Verfahren, Krupp-Eisenschwamm-Verfahren (siehe Krupp-Renn-Verfahren), H-Iron-Verfahren, Nu-Iron-Verfahren, Midrex-Verfahren, Fior-Verfahren. Bei der Hydrometallurgie werden die Erze unter Bildung von Eisensalzen, wie z. B. Eisen(III)-chlorid, ausgelaugt. Die Red. der Salze erfolgt dann entweder mit Gas oder durch Elektrolyse.
Physiologie
Eisen, das häufigste Spurenelement des menschlichen Organismus, ist essentiell für Mensch, Tier und Pflanze. Die biologisch wichtigsten Formen sind das Fe(II) und Fe(III).
Resorption: Nach WHO-Angaben liegt die Resorptionsrate von Eisen aus der Nahrung in den meisten industrialisierten Ländern zwischen 10–15 %[6]. Eine gemischte Kost enthält am Tag 5–15 mg Nichthäm-Eisen und 1–5 mg Häm-Eisen (im Fleisch liegen 40–60 % des Eisen als Häm-Eisen vor). Die Bioverfügbarkeit von Eisen im Duodenum und Jejunum ist abhängig von seiner Bindungsform und der Zusammensetzung der Nahrung. Häm-Eisen wird in Abhängigkeit vom Eisen-Status zu 15–35 %, vermutlich zumindest teilweise über einen Häm-Rezeptor, in die Enterocyten aufgenommen und dort durch eine Hämoxygenase aus dem Porphyrinring freigesetzt. Ionisiertes Eisen wird nach Reduktion zum Fe(II) zu etwa 10 % resorbiert; die Resorptionsrate kann bei Eisen-Mangel auf das 2–3fache ansteigen. Die Absorption von Nichthäm-Eisen, das vorwiegend mit pflanzlichen Lebensmitteln aufgenommen wird, wird durch Weizenkleie, Sojaprodukte, Milchprodukte, schwarzen Tee und Kaffee sowie Liganden wie zum Beispiel Tannate, Phytate, Oxalate, Lignine und Phosphate gehemmt, und durch Fleisch, Fisch, Geflügel und Liganden wie Ascorbat, Citrat oder Fumarat gefördert. Hohe Calcium-Konzentrationen vermindern die Resorption von Häm-Eisen und Nichthäm-Eisen. Personen, die sich Häm-arm ernähren, sollten möglichst viel resorptionsfördernde Liganden wie Ascorbinsäure zu sich nehmen. Insgesamt werden aus Lebensmitteln pflanzlicher Herkunft kaum mehr als 5 % absorbiert. Eisen vermindert die Aufnahme von Zink, Kupfer und Mangan.
Verteilung und Ausscheidung: Im Serum wird Fe(II) durch die Kupfer-haltige Ferroxidase I (Caeruloplasmin) zu Fe(III) oxidiert und an Transferrin gebunden zum Gewebe transportiert. Dort wird mit Eisen beladenes Transferrin nach Bindung an den Transferrin-Rezeptor mittels Endocytose in die Zelle aufgenommen. Durch eine Senkung des pH-Werts im Endosom wird Eisen in das Cytoplasma freigesetzt. Der Apotransferrin/Transferrin-Rezeptor-Komplex gelangt an die Zelloberfläche, wo Transferrin wieder ans Plasma abgegeben wird. Daneben kann Eisen auch über Lactoferrin in die Zellen aufgenommen werden. Das in die Zelle aufgenommene Eisen wird in Proteine (70–90 % des an Tranferrin gebundenen Eisens wird zur Synthese von Hämoglobin und Myoglobin verwendet) eingebaut oder gespeichert. Pro Tag werden mit dem Stuhl im Rahmen der Darmregeneration, über die Haut und den Urin (0,3–1,3 µm/L Urin) etwa 1 mg Eisen ausgeschieden. Überschüssiges Eisen wird intrazellulär in Ferritin, das an seiner Oberfläche Fe(II) zu Fe(III) oxidieren und es als kolloidalen Kern einlagern kann, und in Hämosiderin gespeichert, aus denen es bei Bedarf wieder freigesetzt wird. Die Eisen-Homöostase wird vorwiegend über die Resorption im Duodenum und Jejunum reguliert. Die Wege des Eisen im Organismus (Ferrokinetik), Lebensdauer der Erythrocyten u. a. Vorgänge des Eisen-Stoffwechsels und der Hämatopoese lassen sich mit radioaktivem 59Fe relativ einfach verfolgen.
Eisen ist zu etwa 61 % an Hämoglobin, zu 8 % an Myoglobin, zu 2 % an Häm-Eisen-Enzyme, zu 3 % an Nichthäm-Eisen-Enzyme sowie zu etwa 18 % an Ferritin und zu 8 % an Hämosiderin gebunden. Die Eisen-Konzentration im Serum kann erheblich schwanken (Frauen/25 Jahre: 6,6–29,5 µm/L, Männer/25 Jahre: 7,2–27,7 µm/L). Die Leber ist mit 50–150 mg/kg Frischgewicht der größte Eisen-Speicher, gefolgt von Milz und Knochenmark.
Biochemische Funktionen: Als Bestandteil von Enzymen ist Eisen zum Beispiel über Hämoglobin am Sauerstoff-Transport aus der Lunge in die Zielgewebe, über Myoglobin an der gesteigerten Diffusion von Sauerstoff aus den Erythrocyten in das Cytosol und in die Mitochondrien der Muskulatur, über Cytochrome an der Elektronentransportkette der oxidativen Phosphorylierung und über weitere Eisen-abhängige Enzyme an zahlreichen Oxidationsreaktionen und Reduktionsreaktionen beteiligt. Dazu zählen unter anderem die Cytochrom-P-450-Familie (Fremdstoffmetabolismus, Biosynthese von Steroidhormonen, Vitamin D3 und Gallensäuren), Oxidoreduktasen, wie die Ribonucleotid-Reduktase (DNA-Synthese), Monooxygenasen, wie Aminosäure-Monooxygenasen, Fettsäure-Desaturasen, Dioxygenasen, wie Aminosäure-Dioxygenasen, Lipoxygenasen, Peroxidasen, NO-Synthasen und die Eisen-haltigen Enzyme Aconitase (Citrat-Cyclus), Guanylat-Cyclase sowie Aminophosphoribosyl-Transferase (Purin-Synthese).
Zur Rolle von Eisen bei der Immunabwehr siehe Nährstoffimmunität.
Für Pflanzen ist Eisen ebenfalls ein wichtiger Mikronährstoff, der die Photosynthese sowie die Bildung von Chlorophyll und Kohlenhydraten beeinflußt, in extremem Überschuß aber giftig wirkt[7]. Eisen-haltige Proteine (Ferredoxine, Nitrogenasen) spielen eine wichtige Rolle bei der Stickstoff-Fixierung.
Ernährungsphysiologie
Bedarf: Der Bestand des menschlichen Organismus beträgt etwa 2–4 g Eisen. Der Eisen-Bedarf von etwa 1 mg/Tag ergibt sich aus den Verlusten über den Darm, die Nieren und die Haut; er ist im Wachstum und in der Schwangerschaft erhöht. Frauen verlieren über die Menstruation zusätzlich etwa 15 mg Eisen/Monat. Die Zufuhrempfehlungen berücksichtigen eine Resorptionsrate von Eisen von 10–15 %. Sie liegen für Säuglinge ab 4 Monaten und Kindern bis zu 10 Jahren bei 8–10 mg/Tag, für männliche Kinder, Jugendliche und Erwachsene von 10–19 Jahren bei 12 mg/Tag, für weibliche Kinder, Jugendliche und Erwachsene von 10–51 Jahren bei 15 mg/Tag, für männliche Erwachsene ab 19 Jahren und für weibliche Erwachsene ab 51 Jahren bei 10 mg/Tag, für Schwangere bei 30 mg/Tag und für Stillende bei 20 mg/Tag. In Deutschland beträgt die durchschnittliche Eisen-Zufuhr bei Frauen 11 mg/Tag und bei Männern 13 mg/Tag.
Mangel: Hinweise auf eine Eisen-Mangel-Anämie wurden bei etwa 0,6 % der Erwachsenen gefunden, wobei doppelt so häufig Frauen wie Männer betroffen waren. Beim prävalenten Eisen-Mangel ist die Eisen-Beladung der Makrophagen vermindert und die Resorption von Eisen (und von Metallen wie Cadmium, Blei, Nickel, Plutonium) erhöht; beim latenten Eisen-Mangel sind auch die Speicherbestände reduziert. Ein manifester Eisen-Mangel kann die körperliche Leistungsfähigkeit beeinträchtigen, die Thermoregulation stören, Verhaltensstörungen hervorrufen, möglicherweise die Infektionsanfälligkeit erhöhen und zur Atrophie der Mundschleimhaut, der Darmschleimhaut und der Zunge sowie zu Mundwinkelrhagaden führen. Das am häufigsten auftretende Symptom ist die hypochrome, mikrocytäre Anämie. Bei Kindern im Alter von 12–18 Monaten kann bereits eine mäßig ausgeprägte Anämie wahrscheinlich irreversible Intelligenzstörungen verursachen. Die Hämochromatose ist eine genetisch bedingte Stoffwechselstörung, die unbehandelt aufgrund einer gesteigerten Eisen-Resorption und einer Eisen-Überladung zu Leberzirrhose, Diabetes mellitus und Herzinsuffizienz führen kann.
Nahrungsergänzungsmittel: Die für Nahrungsergänzungsmittel zugelassenen Stoffverbindungen sind in der Nahrungsergänzungsmittelverordnung (NemV) in den Anlagen 1 und 2 positiv gelistet. Eisen ist in Nahrungsergänzungsmitteln, häufig in Kombination mit Ascorbinsäure, als Eisencarbonat, Eisencitrat, Eisenfumarat, Eisengluconat, Eisensulfat, Eisenlactat, Eisendiphosphat, Eisensaccharat, als Eisen-Hefe oder als Farbstoff (Eisenoxid, Eisenhydroxid) enthalten. Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) spricht sich gegen eine Verwendung von Eisen in Nahrungsergänzungsmitteln aus.
Toxikologie
Akute Eisen-Vergiftungen treten überwiegend bei Einnahme einer Überdosis Eisen-haltiger Medikamente auf, wovon meist Kinder betroffen sind[8]. Akute toxische Wirkungen zeigen sich bei Dosen zwischen 20–60 mg Eisen/kg Körpergewicht, Dosen über 180 mg Eisen/kg Körpergewicht können tödlich sein. Folgen einer akuten Eisen-Intoxikation sind blutiges Erbrechen, blutige Durchfälle, Herzinsuffizienz, Lebernekrosen mit Organversagen, Gerinnungsstörungen, Hypoglykämie, Lethargie, Koma und Krämpfe. Ohne Behandlung endet etwa die Hälfte aller schweren Vergiftungen bei Kindern tödlich. Bei circa 25 % der mit oralen Eisen-Präparaten (>100 mg/Tag) behandelten Patienten treten Schleimhautreizungen, Übelkeit, Sodbrennen und epigastrische Schmerzen auf. Bei einer chronisch überhöhten Aufnahme von Eisen-Präparaten (150–1200 mg/Tag) kann es zu Leberzirrhose, Diabetes mellitus und Herzversagen kommen; solche Fälle sind jedoch selten. Ein Zusammenhang von Eisen und einem erhöhten Risiko für Herzinfarkte und Krebserkrankungen wird diskutiert. Eisen kann über die Bildung reaktiver Sauerstoff-Spezies [Fenton-Reaktion (siehe Fenton-Reagenz), Haber-Weiß-Reaktion] zu Schäden an Proteinen, Nucleinsäuren, Lipiden und zellulären Membranen führen sowie als Promotor das Wachstum von Krebszellen fördern.
Für aquat. und terrestr. Organismen ist Eisen kaum toxisch. Bei Pflanzen wird eine schädigende Wirkung erst bei Konz. >10–200 mg/L beobachtet. Über Schädigungen bei Wasserorganismen ist kaum etwas bekannt.
Nachweis
Eine qual. Prüfung auf Eisen läßt sich mit Kaliumhexacyanidoferrat(II) (gelbes Blutlaugensalz, siehe Hexacyanidoferrate) vornehmen, das mit Fe3+ Berliner Blau gibt, oder durch die Rotfärbung, die Fe3+ in Ammoniumthiocyanat-Lsg. hervorruft und die auf das Eisen(III)-thiocyanat zurückgeht.
Die quant. Bestimmung von Eisen wird mit Oxidimetrie und Manganometrie, komplexometr. und gelegentlich auch gravimetr. vorgenommen. Auf der Neigung zur Bildung häufig stark gefärbter Komplexe beruhen eine Anzahl weiterer – meist photometr. – Bestimmungsmeth. für Eisen mit Hilfe organ. Reagenzien; z. B. kann Eisen mit 1,10-Phenanthrolin bei 508 nm analysiert werden[9-11]. Außerdem Nachw. durch Röntgenfluoreszenzspektrometrie[12], mittels Atomabsorptionsspektrometrie (AAS) bei 248,3 nm[13] und als Multielementmeth. mittels Atomemissionsspektrometrie (ICP-AES).
Verwendung
Eisen ist bei weitem das wichtigste Gebrauchsmetall. Eisen und Stahl sind in der techn. Welt nahezu allgegenwärtig. Die Verwendungsmöglichkeiten sind so vielfältig, daß sie hier nicht aufgezählt zu werden brauchen, siehe zum Beispiel Automatenstähle, Edelstahl, nichtrostende Stähle, Schnellarbeitsstahl, Ferro-Legierungen etc. Eisen(III)-Salze (v. a. Chlorid und Sulfat) werden als Flockungsmittel in der Wasseraufbereitung und als Fällungsmittel für Phosphat in der weitergehenden Abwasserreinigung verwendet.
In der Chemie werden Eisen und Eisen-Verb. als Katalysatoren[14] für zahlreiche Produktionsprozesse verwendet, Beispiele: Haber-Bosch-Verfahren, Fischer-Tropsch-Synthese. Viele Eisen-Verb. haben als Arzneimittel (vergleiche Eisen-Präparate), chem. Reagenzien, Pigmente (siehe Eisenoxid-Pigmente), als Materialien mit interessanten magnet. Eigenschaften (Ferrimagnetika) und dgl. erhebliche Bedeutung.
Recht
Laut § 7 der Trinkwasserverordnung in Verbindung mit Anlage 3 beträgt der Grenzwert für Trinkwasser 0,2 mg Eisen/L. Geogen bedingte Überschreitungen bleiben bei Anlagen mit einer Abgabe von bis zu 1000 m3 bis zu 0,5 mg/L außer Betracht. Für diätetische Lebensmittel, die zur Verwendung als bilanzierte Diät oder für Übergewichtige bestimmt sind, existieren nach § 14a und § 14b der Diät-Verordnung Mindestmengen und Höchstmengen für Eisen.
Geschichte
Man kann für die Entdeckung des Eisen kein genaues Datum angeben. Wahrscheinlich wurde zunächst das ziemlich reine, seltene Meteoreisen als Waffe und Werkzeug verwendet, da dieses keine umständlichen Verhüttungsverf. erforderte. Kleinere Eisen-Gegenstände findet man schon in ägypt. Gräbern, die etwa 4000 vor Christus angelegt wurden, eiserne Werkzeuge um 3500 vor Christus in Anatolien. Das Erschmelzen von Eisen aus Eisenerz gelang zuerst den Hethitern ca. 1400 vor Christus in Kleinasien, die das Verf. bis ca. 1200 vor Christus geheimhalten konnten. Ab etwa 400 vor Christus – in Europa datiert man die Eisenzeit auf ca. 800 vor Christus bis zum Jahre 0 – wurde im Siegerland Eisen verhüttet, und die Römer hatten vor 1800–2000 Jahren Eisen-Verhüttungsanlagen in Italien, Spanien, England, am Rhein und in der Steiermark. Die ersten Hochöfen kamen im 14.Jh. auf. Im 18.Jh. machte die Einführung des Kokses in den Hochofenprozeß, die Erfindungen des Tiegelgußstahls und des Flammofenfrischens mit Steinkohle (Puddel-Verfahren) das Eisen zum Werkstoff des Maschinenzeitalters und Industriezeitalters; siehe auch Stahl.
Literatur
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Forschungsvereinigung der Arbeitsgemeinschaft der Eisen und Metall verarbeitenden Industrie e. V. (AVIF); http://www.avif-forschung.de [Prüfdatum 31.03.2006]
Max-Planck-Institut für Eisenforschung GmbH (MPIE); http://www.mpie.de [Prüfdatum 31.03.2006]
Stahl-Zentrum [Stahlinstitut VDEh, Wirtschaftsvereinigung Stahl (WV Stahl) und andere]; http://www.stahl-online.de [Prüfdatum 31.03.2006]
Unternehmensverband Eisenerzbergbau, 32457 Porta Westfalica
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Wirtschaftsverband Stahl- und Metallverarbeitung e. V.; http://www.wsm-net.de [Prüfdatum 31.03.2006]
(GESTIS) |
Übersetzungen:
E | iron |
F | fer |
I | ferro |
S | hierro |