Nährstoffimmunität
(nutritional immunity). Als Nährstoffimmunität werden Mechanismen der angeborenen Immunabwehr (siehe Immunologie) bezeichnet, die bei Infektionen das Wachstum der pathogenen Bakterien oder Pilze durch Entzug essentieller Nährstoffe begrenzen[1,2]. Der Begriff wurde in den 1970er Jahren zunächst für den Entzug von Eisen-Ionen geprägt und später auf andere Spurenelemente wie Mangan, Zink und Kupfer erweitert[3]. Um ihre Bioverfügbarkeit niedrig zu halten, werden Spurenelemente beim Transport und der Speicherung im Organismus mit hoher Affinität an Proteine gebunden oder innerhalb von Zellen durch Kompartimentierung separiert. Vor allem Makrophagen transferieren die Spurenelemente aus den Pathogene enthaltenden Phagosomen in das Cytosol[4]. Nährstoffimmunität ist auch bei Pflanzen bekannt[5], die zugrundeliegenden Mechanismen wurden vor allem bei Wirbeltieren charakterisiert.
Die Limitierung von Spurenelementen im Rahmen der Nährstoffimmunität steht im Kontrast zur Intoxikation bestimmter intrazellulärer Pathogene durch hohe Konzentrationen von Metall-Ionen in den Phagosomen. So werden bei Infektion mit Mycobacterium tuberculosis, induziert durch Interferon-γ, Kupfer-Ionen in die Phagosomen importiert[6].
Mechanismen der Nährstofflimitierung
Eisen
Um die Verfügbarkeit von Eisen für extrazelluläre Pathogene zu senken, werden freie Eisen-Ionen im Blutplasma an Transferrin gebunden, in der Milch, der Tränenflüssigkeit und im Speichel an Lactoferrin. Bei der Lyse von Erythrocyten freigesetztes Hämoglobin und Häm werden durch Bindung an die Plasmaproteine Haptoglobin, ein Akutphase-Protein, bzw. Hämopexin abgefangen und anschließend durch Rezeptor-vermittelte Endocytose eliminiert. Weiterhin steuert im Infektionsfall die Sekretion von Hepcidin den Abbau des Eisen-Transporters Ferroportin und begrenzt dadurch die Resorption von Eisen im Darm sowie den Export aus Zellen[7]. Für die Abwehr intrazellulärer Pathogene wird Eisen im Cytosol an Ferritin gebunden und der Transporter NRAMP1 (natural resistance-associated macrophage protein 1, Slc11a1[8]) entfernt Eisen und Mangan aus den Phagosomen. Bei Salmonellen-Infektionen wird außerdem der Export von Eisen aus Zellen durch Ferroportin verstärkt[1,9].
Abbildung 1: Schematische Darstellung der Infektionsabwehr durch begrenzte Verfügbarkeit von Eisen bei Wirbeltieren. Freie Eisen-Ionen binden mit hoher Affinität an Ferritin, Transferrin oder Lactoferrin, bei der Lyse von Erythrocyten freigesetztes Hämoglobin oder Häm an Haptoglobin bzw. Hämopexin. Bei Infektionen hemmt Hepcidin als endokrines Signal die Resorption von Eisen im Darm sowie seine Freisetzung aus Zellen. Lipocalin-2 (Siderocalin) fängt mit Eisen beladene bakterielle Siderophore ab. Mit Pathogenen beladene Makrophagen verlagern Eisen aus dem Phagosom in das Cytosol[10].
Zink und Mangan
Bei akuten Infektionen werden Zink-Ionen aus der Zirkulation in die Leber verlagert (Hypozinkämie). Gesteuert durch Interleukine wird dafür in der Leber die Expression von Zink-Import-Proteinen (ZIP), besonders ZIP14, und des Zink bindenden Metallothionein-1 induziert[11]. Die extrazelluläre Bioverfügbarkeit von Zink wird weiterhin durch Freisetzung von S100-Proteinen gesenkt, die neben Calcium- auch Zink- und Mangan-Ionen binden. So wird der durch S100A7 (Psoriasin) von Keratinocyten vermittelte Infektionsschutz der Chelatierung von Zink-Ionen zugeschrieben. Auch das heterooligomere S100A8/A9 (Calprotectin) aus neutrophilen Granulocyten wirkt stark antimikrobiell, indem es, stimuliert durch Calcium, Chelate mit Zink- und anderen zweiwertigen Ionen [Mangan(II), Eisen(II), Nickel(II)] bildet[1,12,13]. Um Zink von intrazellulären Pathogenen zu segregieren, wird es mit Hilfe von ZIP-Transportern aus den Phagosomen in das Cytosol transferiert und weiter in den Golgi-Apparat durch Transporter der ZnT-Familie. Welche Transporter dafür im Einzelnen verantwortlich sind, ist noch nicht abschließend geklärt[14,15].
Abbildung 2: Schematische Darstellung der Infektionsabwehr durch begrenzte Verfügbarkeit von Zink bei Wirbeltieren. Bei Infektionen steuern Interleukine in der Leber sowohl die Expression von Zink-Import-Proteinen (ZIP) als auch die des Zink mit hoher Affinität bindenden Metallothionein-1 im Cytosol. Die resultierende Hypozinkämie wird verstärkt durch Freisetzung des Zink-bindenden Calprotectin aus neutrophilen Granulocyten. Infizierte Makrophagen transferieren Zink aus dem Phagosom in das Cytosol und weiter in den Golgi-Apparat[15].
Anpassungen der Mikroorganismen – die „Schlacht um Nährstoffe“
Pathogene Mikroorganismen sind an die geringe Bioverfügbarkeit der Spurenelemente im infizierten Organismus durch effiziente, teilweise redundante Aufnahmesysteme angepasst. Sie nehmen freie Eisen-Ionen oder Häm an Siderophore bzw. Hämophore gebunden auf und Transferrin oder Lactoferrin vermitteln durch spezifische Rezeptoren. Die Spezifität dieser Aufnahmesysteme kann das Wirtsspektrum von Pathogenen determinieren: Staphylococcus aureus nimmt präferentiell humanes Hämoglobin auf und die Transferrin-Rezeptoren humanpathogener Neisserien binden besonders wirksam humanes Transferrin.
Die Affinität mancher Siderophore für Eisen-Ionen ist so hoch, dass sie diese von den Eisen-bindenden Proteinen des Wirtsorganismus übernehmen können. Dem steuern die Wirtsorganismen entgegen, indem sie bakterielle Siderophore durch Bindung an das Plasmaprotein Siderocalin aus dem Verkehr ziehen[16]. Hochpathogene Bakterienstämme wiederum reagieren darauf mit der Produktion modifizierter Siderophore, die als sogenannte Tarnkappen-Siderophore von Siderocalin nicht erkannt werden.
Bei manchen Mikroorganismen (Borrelia burgdorferi) ist Eisen im katalytischen Zentrum von Enzymen durch Mangan ersetzt, daher benötigen sie bei der Infektion kein Eisen und entziehen sich so der Nährstoffimmunität[10].
Pathologie
Hyperferriämie wird als Ursache für das erhöhte Infektionsrisiko bei Krankheiten wie Thalassämie oder Hämochromatosen (Eisen-Speicherkrankheiten) bzw. therapeutisch bedingt bei Anämie-Patienten nach wiederholten Transfusionen diskutiert und wird durch Gabe von Eisen-Chelatoren wie Deferasirox behandelt[17,18]. Weiterhin erhöhen Polymorphismen des Transporters NRAMP1, die mit verringertem Export von Eisen und Mangan aus den Phagosomen einhergehen, bei Mäusen das Risiko von Infektionen mit intrazellulären Pathogenen wie Mycobacterium spp.[19,20]. Auch beim Menschen gibt es Hinweise auf eine Korrelation des Infektionsrisikos mit NRAMP-Polymorphismen[21,22].
Im Hinblick auf die Zunahme von Antibiotika-Resistenzen interessieren therapeutische Alternativen, die die Nährstoffimmunität verstärken. Forschungsansätze befassen sich mit der Hemmung der Siderophor-Biosynthese[23] oder der Entwicklung von Lipocalinen mit veränderter Bindungsspezifität[24]. Die Applikation von Gallium(III), das als nicht reduzierbares Eisen-Analog an Siderophore binden kann und so die mikrobiellen Eisen-Aufnahmesysteme blockiert, ist Gegenstand präklinischer Studien[25,26].
Literatur
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